Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
auch nicht mit am Tische sitzen soll, wenn die anderen trinken, daß ich in New City ein Rodeo gewonnen habe und zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden bin, weil ich nicht ruhig mitansehen wollte, wie man Indianer beleidigte und zusammenschlug – oder worauf die Leute sonst noch kommen werden.«
    Okute antwortete: »Sei froh, Inya-he-yukan. Du behältst deinen Schecken – ich fürchte, du würdest ihn erschossen haben, wenn sie ihn gekauft hätten. So bist du. Das Tier hat sich und dich gerettet.«
    »Kann sein. Aber ich brauche Geld für meine Ranch. Wenn ich auch den American way of life nicht liebe, so lebe ich doch in Amerika.«
    »Du hast den ersten Preis – was du weiter brauchst, erhältst du von mir. Ich hätte es dir eher sagen können, doch wollte ich warten, bis du sprichst.«
    »Ich schäme mich.« Das war ein hartes Wort für einen Mann wie Joe.
    »Du bist kein Pferdehändler, Inya-he-yukan. Unsere Vorfahren ritten Mustangs und erlegten Büffel. Du und deine Freunde reiten deine Broncs, und du verkaufst Rinder. Hau.«
    »Hau.«
    Das Zelt begann sich zu füllen. Alles, was im Dorf einquartiert war, wollte den Sieger begrüßen, auf den die Indianer stolz waren.
    Schüchtern meldeten sich auch schon die Ansprüche an. Was wollte der Sieger für eine gemeinsame Feier ausgeben? »Wollt ihr etwa trinken?« – »Was denn sonst, Joe!« – »Wir dürfen das nicht.«
    »Dürfen! In den Buden fragt doch keine Ratte danach, ob wir den Schein haben oder nicht. Hauptsache, wir zahlen.«
    »Ich gebe dafür nichts aus.«
    Die Männer verzogen sich ärgerlich. »Er ist eingebildet«, sagte draußen einer zum andern. »Wir sind nicht von seinem Stamm.«
    »Komm, laß uns ohne ihn gehen. Ein Indian-Boy hat einen ersten Preis! Darauf müssen wir einen Drink nehmen.«
    Zuletzt war Joe allein mit den Eigentümern des Zeltes, mit seiner Familie und mit einigen kleinen Buben, die nicht genug von den Geheimnissen des Reitens erfahren konnten.
     

Das Durchschnittsgesicht
     
    Joe ruhte sich aus. Von der übermäßigen Hitze des Tages waren auch die anderen müde. Draußen flammten schon die Lichter auf, in allen Farben und allen grellen Stärken. Die Klänge der Tanzmusik inner- und außerhalb der Buden fluteten über das Gelände. Es war der letzte Tag der Rodeo-Veranstaltungen; jedermann wollte ihn noch bis zur Neige auskosten. Das Terrain füllte sich mit den Gästen, die nicht des Sports, sondern nur der Vergnügungen wegen kamen.
    Das Indianerdorf war nicht der bedeutendste Anziehungspunkt, doch strömten auch dort immer wieder kleinere Flutwellen des Publikums ein. Die Besucher hatten den Wunsch, die Zelte auch im Innern zu besichtigen, und wollten sich nur schwer damit abfinden, daß hierfür jeweils nur ein einziges Zelt geöffnet blieb.
    »Wir haben schon den ersten Betrunkenen«, erzählte Queenie ihrem Mann, als sie mit einem Eimer Wasser von draußen zurückkam.
    »Was macht der Bursche?«
    »Er soll zurück in sein Zelt, aber das will er nicht. Zwei haben ihn rechts und links gepackt, und so laufen sie immer mit ihm umher, damit er kein Unheil anrichtet.«
    »Guter Polizeidienst. Vielleicht richten sie für die weißen Besoffenen auch so etwas ein.«
    »Ach, Joe, er kommt doch ins Gefängnis, wenn er auffällt, und da lernt er nichts Gutes.«
    »Meinst du?«
    Queenie senkte die Augen.
    Joe stand auf und ging hinaus.
    Er sah die Gruppe, von der seine Frau gesprochen hatte. Es handelte sich um einen ganz jungen Kerl, vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt, aber in seinem betrunkenen Zustand zeigte er Riesenkräfte. Noch war er in gutmütigem Seelenzustand und hatte nichts im Sinn, als durchaus nicht in sein Zelt zu gehen.
    Joe löste den einen Begleiter ab, und eine Minute später landete der Widerspenstige auf seinem Deckenlager. Joe band ihn wie ein Kalb, je die Hand und den Fuß auf der gleichen Seite zusammen, und so überließ er ihn der kommenden Nachtruhe. Die Familie war dankbar.
    Da Joe nun doch im Gange war, legte er sich nicht mehr hin, sondern zog sein weißes Hemd und seine Jeans an.
    »Gehen wir tanzen, Queenie?«
    »Wohin gehen wir zum Tanz, Joe? Hier im Zeltdorf? Es ist heute abend Warwhoop und War-dance und dann der Chicken-dance mit den Frauen zusammen.«
    »Ich mache nicht den Clown für die Weißen – damit sie mir vielleicht noch ein Trinkgeld anbieten.«
    »Oder…?« Joe blieb die Antwort schuldig.
    »… oder mit den Weißen zusammen – nicht mit den Unsern? Heißen

Weitere Kostenlose Bücher