Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
Beat?«
    »Was hast du denn, Queenie?«
    »Böse Erinnerungen.«
    »Weil ich damals am Leben blieb?«
    »Ach, Joe, spinne nicht! Komm, wir gehen tanzen.«
    Die beiden verließen miteinander das Zelt und den für die Schaustellung der Indianer abgegrenzten Platz.
    Sie gingen miteinander durch die Menge, mit der Menge, die sich zwischen den Buden auf den breiten Wegen dahinschob. Nach einigen Minuten schon entdeckte sie Jerome und Caroline, die, leicht und liebenswürdig angeheitert, voller Freude über die Begegnung waren. Man schloß sich aneinander an. Jerome wußte schon, wo die beste Beat-Kapelle spielte. Die Tanzfläche war übervoll, aber geschickte Tänzer fanden noch Platz. Joe konnte nicht verhindern, daß Jerome sich Queenie holte, und war nicht abgeneigt, mit Carol den Shake zu tanzen, obgleich sie nicht das Temperament besaß, das er erwartete.
    Da erkannte er plötzlich, ganz nebenbei und ohne von fern daran gedacht zu haben, ein Gesicht, das er in seinem Leben immer wieder erkennen würde, wo und wie und in welcher Verkleidung es auch auftauchen mochte. In diesem Moment hatte sich der Betreffende als Cowboy, als typischer Rodeo-Besucher und Maskeradencowboy aufgeputzt und tanzte mit einer jungen Negerin. Verdammt, dachte Joe, das ist Geoffrey Nicholson. Er wird mich in Ruhe lassen, schätzungsweise. Muß ich ihm ans Leben gehen?
    Dabei tanzte Joe weiter, noch etwas lebhafter. Er hatte seine Pistole dabei, den Riemen um die Schultern, die Waffen unter der Jacke, die er trotz der auch am Abend noch immer beträchtlichen Temperatur nicht ablegte. Im Stiefel steckte das Stilett.
    Der andere tanzte schlecht, die Negerin tanzte wunderbar. Was ist er für ein Philister, dachte Joe, ein elender fleischgewordener Gemeinplatz, wasserblaue Augen, ein wenig gesprenkelte Haut, etwas fettig, Durchschnittsgröße, Haarfarbe dunkelblond, besondere Kennzeichen: tätowiert. Gattung: Schwein. Untergattung: Eber, bösartig.
    Weder Joe noch der Maskeradencowboy wußten, ob nur jeder selbst eine Entdeckung gemacht hatte oder der andere auch.
    Die Negerin tanzte wunderbar.
    Trotzdem sah sich ihr Tänzer, der als Cowboy Maskierte, gezwungen, einigen abwegigen Gedankengängen nachzuhängen. Verdammt, dachte er, das ist Joe King.
    Muß ich ihm ans Leben gehen? Es liegt kein zwingender Grund vor. Aber er ist einer der verfluchten Indsmen. Augen halbverrückt, dunkle Haut des Vollbluts, Langschädel, besondere Kennzeichen: tätowiert. Booth hat damals mit seinen Aussagen prächtig funktioniert. Aber Leslie Johnson ist ein Kapitalesel gewesen. Ohne ihn gäbe es diesen Indsman nicht mehr, oder er wäre meine Kreatur. Leute, die hart genug sind, um mir Widerstand zu leisten, müssen grundsätzlich verschwinden. Selbst wenn ich wünsche, daß sie das Maul halten, dürfen sie es nicht können.
    Aber habe ich Grund, mich dieses Mistindianers wegen zu verraten? Wir wollen abwarten.
    Es gibt keinen Zweifel mehr, überlegte Joe, daß der räudige Kojot mich erkannt hat. Solche Leute sind im Wiedererkennen geschult, sonst könnten sie ihr Metier gleich aufgeben. Es ist ihm ein unverschämter Streich gelungen, als er in Leslie Johnsons Organisation eindrang. Er hat Johnson ermordet, sobald er ihn aus irgendeinem Grunde loswerden mußte. Inzwischen ist er untergetaucht, man hat nichts von großen organisierten Verbrechen gehört. Aber vielleicht lese nur ich auf der Reservation zuwenig die Zeitung und achte nicht genug auf mein Radio. Das muß wieder anders werden. Aus verschiedenen Gründen.
    Joe forderte Carol zu einem weiteren Tanz auf. Jerome holte sich daraufhin Queenie ein zweites Mal. Die Beat-Gruppe spielte in ihrer Weise ausgezeichnet, mit aufpeitschenden Trommelrhythmen, aber in der großen Rodeo-Stadt war man Nervenkitzel gewohnt, und die Fans begnügten sich mit grellen Schreien.
    Jener Zivilist, von dem Joe vom Vormittag her wußte, daß er eine Erkennungsmarke besaß, tauchte zwischen den Gästen auf und trank Gin with Tonic, während die anderen tanzten. Als Joe sich endlich gezwungen sah, eine Pause zu machen und Carol einen Grapefruit-Juice zu verschaffen, erschien der Zivilist bei Joe, zeigte ihm unter der Hand eine Fotografie und fragte, ob er diesen Mann kenne.
    »Sie ahnen gar nicht, wie merkwürdig Sie mir vorkommen«, antwortete Joe. »Was für eine Frage!«
    King eroberte das Getränk und brachte es seiner Tänzerin. Der als Cowboy Maskierte hatte die Dame gewechselt. Die Negerin versuchte ihr Glück bei Joe, den sie

Weitere Kostenlose Bücher