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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Pferd nach Pferd tobte heraus, Reiter um Reiter versuchte nach den Vorrunden noch einmal Geschicklichkeit und Glück. Es ging immer wieder um Hals- und Beinbruch, auch für die besten der Professionals. Drei der zehn Reiter, die vor Joe an der Reihe waren, wurden abgeworfen, einer gleich nach Beginn, zwei kurz vor Schluß ihres Rittes. Man merkte ihnen die große Enttäuschung an, zweien auch die Schmerzen, obgleich sie versuchten, eine gleichgültige Haltung zu wahren. Bei besonders guten Leistungen rauschte lauter Beifall auf. Aber auf mehr als Dreiviertel der möglichen Punkte war nach Schätzung der sachverständigen Zuschauer noch keiner der Teilnehmer gekommen. Ob die Zeit erreicht war, wurde sofort nach Abschluß des Rittes bekanntgegeben. Die Punktzahl zu berechnen bedurfte erst einer Beratung im Preisrichterkollegium.
    Joe kam an die Reihe. Er saß auf der Wand der Box, um sich auf den wütenden Schecken hinabfallen zu lassen. Als das Zeichen gegeben war und die Box eben geöffnet werden sollte – was immer blitzschnell geschehen mußte –, glitt er auf den Pferderücken. In demselben Bruchteil der Sekunde stieg der Hengst, noch eingezwängt in die Box. Die Tür wurde nicht schnell genug geöffnet; das Tier stürzte über die Hinterhand gegen die Rückwand der Box und klemmte seinen Reiter zwischen seinen Körper und die Bretter. Die Tür der Box war inzwischen aufgerissen, so daß der Hengst mit den Hinterbeinen hinausgleiten konnte, auf dem Rücken lag und mit den Hufen ›nach der Sonne fischte‹. Joe hatte in dieser Situation nicht oben bleiben können. Der Schecke wälzte sich und sprang wieder auf die Beine; er bockte ledig weiter, schlug und biß um sich und ließ keinen der berittenen Helfer heran. Er stand erst still, als Joe selbst sich heranwagte und ihm den Riemen lockerte. Das Tier warf den Kopf, stolz, den Kampf so schnell gewonnen zu haben.
    Joe spürte die Schmerzen, die ihm durch die Quetschungen noch bevorstehen mochten, in diesem Augenblick überhaupt nicht. Er wußte nur, daß er die Siegerrunde ohne Zeit und ohne Punkte verloren hatte. Seine Haltung war die eines guten Verlierers, dem niemand die Stimmung anmerkt.
    Aber von den Tribünen und noch mehr von den Stehplätzen erscholl ein allgemeines »Ohhhohh«; man bedauerte, daß das Pferd dem Reiter nicht die Gelegenheit zu einem besseren Kampf gegeben hatte, bedauerte auch ein wenig, um den Genuß des Schauspiels gekommen zu sein, das jeder Reiterkampf bot. Am tiefsten und urwüchsigsten war der Kummer bei den Bewohnern des Indianerdorfes, die ihren eigenen und einzigen Vertreter nach seinen Anfangserfolgen nun in der Endrunde so schmählich abschneiden sahen.
    Joe ging zurück. Einige Kollegen grinsten.
    »Prächtig, dein Schecke! Jetzt weißt du es auch… Laß dir keine grauen Haare wachsen, Indian Boy. Es ist dir nicht anders ergangen als mir, du warst nur noch ein paar Sekunden schneller!«
    Joe nickte gleichmütig.
    Die nächste Nummer war noch immer nicht angesagt. In die Box, die der Schecke innegehabt hatte, war noch kein anderes Pferd gebracht worden. Es verbreitete sich allmählich Neugier, was nun geschehen werde, besonders bei der enttäuschten, zum Teil sehr erregten Menge der Wetter, die auf Joe gesetzt hatten. Man sprach von abgekartetem Spiel, von Wettbetrug, organisiert zwischen Reiter, Preisrichter und Arena-Helfern; man fragte, um welche Summe Joe sich seinen Sieg habe abkaufen lassen – und wer den Schwindel bei der Verlosung der Pferde mitgemacht habe.
    Joe, der neben der Blamage auch noch die Verdächtigungen zu ertragen hatte, zog sich ganz in sich selbst zurück.
    Das Preisrichterkollegium ließ ihn rufen.
    Er fühlte sich nicht eben wohl, als er dort stand. Seine Lippen waren schmal.
    »Das ist kein Rodeo-Pferd, das Sie uns vermietet haben«, sagte der alte Donald zu ihm, »das ist ein outlaw und Beißer!«
    »Dazu ist er in den Ausscheidungskämpfen gemacht worden.«
    »Sie selbst haben aber immerhin mal reiten gelernt. Das haben wir in den Ausscheidungen festgestellt, wie?«
    Joe King schwieg.
    »Möchten Sie etwas sagen?«
    »Nein.«
    »Indianer, wie er leibt und lebt. Hören Sie, Indian-Boy, an Ihrer Stelle hätte ich etwas zu sagen, und ich will Ihnen auch gleich verraten, was: Man durfte das Pferd für Sie nicht in die Auslosung geben, es ist Ihr Pferd. Unsere Boys haben auch die Tür nicht schnell genug aufgemacht, nicht schnell genug für so ein Raubtier, wie Sie es da reiten wollen. Eine solche

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