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Nacht über Eden

Nacht über Eden

Titel: Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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war er verschwunden, von den Schatten verschluckt, als wäre auch er nur ein Traumwesen, das ich erfunden hatte, um mir die langen, einsamen Stunden in Farthinggale Manor zu vertreiben.
    Ich öffnete die große Tür und fuhr ins Haus. Kaum war ich in der Eingangshalle, tauchte Tony in Begleitung von Parson und einem anderen Arbeiter auf.
    »Da ist sie ja! Verdammt, da ist sie!« brüllte Parson.
    »Wo warst Du?« fragte Tony. Seine Haare standen ihm wirr vom Kopf ab, und er blickte mich mit wilden Augen an.
    »Draußen… einfach nur draußen«, sagte ich und versuchte, gleichgültig zu klingen. Doch je ruhiger ich wirkte, desto ärgerlicher wurde Tony. In seinen Augen flackerte ein wütendes Feuer, das ich bei ihm niemals erwartet hätte.
    »Draußen? Ist dir denn gar nicht bewußt, was du uns damit angetan hast, einfach so zu verschwinden? Wir haben dich überall gesucht. Das ganze Haus haben wir auf den Kopf gestellt! Du hast niemandem Bescheid gesagt, wohin du gehst.
    Ich habe doch versprochen, ich würde dich auf deinen ersten Ausflügen begleiten. Wie konntest du das nur tun?« schrie er.
    »Ich hätte es nicht getan, wenn ich geglaubt hätte, daß ich nicht dazu in der Lage bin. Ich habe es geschafft, ohne Hilfe umherzufahren, und wenn ich dir erst alles erzählt habe, wirst du mich verstehen«, antwortete ich. Ich war ziemlich bestürzt über seinen Ausbruch. Er zeigte sich von einer Seite, die mir bisher vollkommen verborgen geblieben war. Das also war der Tony Tatterton, vor dem die Angestellten zitterten und die Diener kuschten, der rücksichtslose Boß, der es nicht ertragen konnte, wenn sich jemand nicht seinen Wünschen und Befehlen unterordnete.
    »Bringt sie hinauf!« brüllte er, bevor ich noch etwas vorbringen konnte. »Und benutzt nicht erst den Aufzug! Ich will, daß sie schnell oben ist! Sie sieht erschöpft aus.«
    Parson und der andere Mann sprangen auf Tonys Befehl hin herbei und ergriffen meinen Stuhl. Sie schoben mich bis zur Treppe und hoben mich dann samt Rollstuhl hoch, um mich die Stufen hinaufzutragen.
    »Einen Moment, Tony. Ich will noch nicht hinauf. Ich fühle mich eingesperrt in diesem Zimmer. Ich möchte heute im Eßzimmer zu abend essen, und ich möchte mich frei durchs Haus bewegen können. Ich habe heute meine ersten Schritte gemacht«, verkündete ich stolz.
    »Erste Schritte? Wo? Du brauchst deinen Schlaf, deine heißen Bäder, deine Massagen. Du weißt ja nicht mehr, was du tust. Der Arzt wird toben. Du wirst bestimmt wieder einen schlimmen Rückschlag erleiden!«
    »Aber Tony – «
    »Bringt sie jetzt nach oben!« brüllte Tony erneut. »Worauf wartet ihr noch?«
    »Schluß damit. Stellt mich hin«, verlangte ich. Parson und der Arbeiter blickten erneut Tony an, und was sie in seinem Gesicht sahen, ließ sie sichtlich erschrecken.
    »Tut mir leid, Miß, aber wenn Mr. Tatterton glaubt, daß es so am besten ist, dann tun wir es lieber.«
    »Oh. Na gut«, sagte ich, als ich bemerkte, in welch schwierige Situation ich die Angestellten sonst bringen würde.
    »Tut, was er euch aufträgt.«
    »Gut, Miß.« Sie hoben mich mühelos hoch und trugen mich die Treppe hinauf.
    »Sie können mich jetzt abstellen«, sagte ich, als wir oben angekommen waren. »Ich werde selbst in mein Zimmer fahren.«
    Als ich die Tür zu meinen Zimmern passiert hatte, zog ich sie mit einem Schwung in meine Richtung. Sie fiel mit einem lauten Knall zu. Dann saß ich in der Stille und blickte auf mein Bett, meinen Gehapparat, meine ganze medizinische Ausstattung. Es war so deprimierend nach meinem Ausflug ins Freie! Ich war entschlossen, dem allen jetzt ein Ende zu machen. Luke würde meine Nachricht sicherlich erhalten und zu mir kommen.
    Und wenn er da war, würde ich ihn bitten, mich mit nach Hause zu nehmen.
    Und ich würde diesen Ort verlassen, dieses Haus mit seinen Geistern und quälenden Erinnerungen und seiner leidvollen Vergangenheit.
    Luke und ich mochten unsere Traumwelt verloren haben, aber wir würden einander haben. Allein dies war Grund genug, Farthinggale Manor zu verlassen.
    20. KAPITEL

    FLUCHT AUS DEM GEFÄNGNIS

    Erschöpft von meinem ersten Ausflug, meinen Gehversuchen und Tonys theatralischem Ausbruch, fuhr ich mit dem Rollstuhl langsam zum Bett. Als ich gerade aus meinem Rollstuhl hineinrutschen wollte, kam Tony herein.
    »Annie, du darfst niemals die Tür zumachen«, schimpfte er.
    »Wie soll ich da wissen, ob du etwas brauchst? Und wie du dich abkämpfst, um ins Bett zu gelangen.

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