Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht über Eden

Nacht über Eden

Titel: Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
vom Meer her gehört, das jetzt durch die Läden drang und an den Fenstern rüttelte.
    Und dann, viele Jahre später, fand sich ihre Tochter, meine Mutter, hier wieder, und sie schlief über den gleichen Geräuschen ein und fühlte sich vielleicht genauso einsam. Im Lauf der Zeit wurde das große Haus für beide zur Heimat, und so würde es vielleicht auch für mich sein. Im Grunde hatte Tony recht. Ich sollte mich in Farthy nicht wie eine Fremde fühlen. Mein Leben war durch die Vergangenheit mit diesem Ort verknüpft. Aber die vielen unbeantworteten Fragen, die ungelösten Geheimnisse, die dunklen Schatten, die mich und meine Anwesenheit hier umgaben, machten alles so verwirrend.
    Vielleicht würden mit jedem neuen Tag ein Schatten und ein Geheimnis verschwinden und Farthy wieder in hellem Lichte erstrahlen, wie es das für meine Großmutter Leigh und für meine Mammi getan hatte.
    Seltsam, dachte ich, es ist, als würde ich mich mitten in dem Irrgarten dort draußen befinden und versuchen, einen Ausweg zu finden.
    Aber wohin?
    Mit welchem Ziel?
    Endlich schlief ich ein.
    11. KAPITEL

    DRAKE

    Ich erwachte, weil ich draußen im Flur jemanden lachen hörte.
    Es war Drakes Stimme! Er konnte ja nicht ahnen, wie sehr ich mich über diese Laute freute: Endlich etwas Vertrautes, das ich von daheim kannte… Das Lachen verklang, und dann vernahm ich Schritte. Gleich darauf erschien er, ein Silbertablett mit meinem Essen in den Händen. Er knipste das Licht an und trat ins Zimmer.
    »O Drake!«
    »Annie, ich bin den ganzen Weg von Boston gekommen, um dir dein Mittagessen zu servieren.«
    Er lachte und stellte das Tablett auf den Tisch neben meinem Bett. Dann küßte er mich und schloß mich ein paar Sekunden lang fest in die Arme. Tränen traten mir in die Augen, aber es waren Tränen des Glücks, und Glückstränen brennen nicht –
    sie verschleierten nur meinen Blick.
    »O Drake, ich bin so froh, daß du hier bist.«
    »Es ist doch alles in Ordnung, oder?« fragte er, trat einen Schritt zurück und sah mich besorgt an. Hier ist Drake, dachte ich, gutaussehend, groß, dunkel, mit seiner gebräunten Haut und den schwarzen Augen. Wie reif und erwachsen er wirkte!
    Es war, als wäre ich als kleines Mädchen eingeschlummert, hätte jahrelang wie Dornröschen geschlafen und wäre nun wieder erwacht, um zu erkennen, daß das Leben für alle anderen Menschen weitergegangen war – nur für mich nicht!
    Ob Luke wohl auch schon so erwachsen war, so weit entfernt von mir?
    Drake hatte einen zweireihigen, hellblauen Seidenanzug an, wie ihn Tony immer trug. Und wie Tony trug er nun die Haare kürzer und nach hinten gekämmt. Wenn ich ihm irgendwo auf der Straße begegnet wäre, hätte ich ihn wahrscheinlich gar nicht erkannt, dachte ich. »Ja, es ist alles in Ordnung. Drake, du siehst aus wie ein… wie ein Bankier.«
    Er lachte.
    »Wie ein Geschäftsmann. Man muß schon entsprechend aussehen, Annie. Die Leute erwarten das von dir. Das ist etwas, was ich schnell gelernt habe. So, und jetzt erzähl mir alles von deiner Ankunft hier. Essen mußt du nebenbei natürlich auch, versteht sich.« Er schob den Tisch zum Bett und schüttelte die Kissen auf, damit ich bequem sitzen konnte.
    Ich schaute zur Tür, und Drake folgte mit den Augen automatisch meinem Blick.
    »Oh, ich habe deiner Krankenschwester freigegeben und ihr gesagt, ich würde dir das Mittagessen bringen.«
    »Wo ist Tony?«
    »Er ist in seinem Büro und versucht, den endlosen Papierkram zu erledigen, der überall bei ihm herumliegt. Er sagt, er müsse Ordnung schaffen, so daß du bald herunterkommen und ihm bei der Arbeit zuschauen kannst. Er sagt, das habe deine Großmutter immer gemacht.«
    »Drake«, flüsterte ich zwischen zwei Löffeln heißer Suppe,
    »es ist genauso, wie du es in deinem Brief und am Telefon beschrieben hast… Alles sieht aus, als sei es seit vielen Jahren nicht angerührt worden.«
    »So ist es auch.«
    »Aber Drake, Tony scheint es nicht so zu sehen. Hast du das noch nicht bemerkt?«
    Er wandte den Blick ab und dachte einen Augenblick lang nach.
    »Tony bringt es im Augenblick nicht fertig, Farthinggale so zu sehen, wie es wirklich ist. Ich vermute, das wäre zu schmerzlich für ihn. Für ihn ist es so, wie es früher einmal war… Ein herrschaftlicher Landsitz.«
    »Aber… «
    »Laß ihm Zeit, Annie. Er ist wie ein Mann, der jahrelang im Koma gelegen hat und gerade erst wieder erwacht ist.«
    »Er ist nett, sehr fürsorglich und alles… aber

Weitere Kostenlose Bücher