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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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hatten. Sie hofften bloß, daß ihre Chefs ge- wonnen hatten, weil die andere Seite sogar noch schlimmer war als ihre eigene. Er stellte sich bloß an. Wie hätte die Kreatur denn hierherkommen können? Kein Schiffska- pitän hätte ein solches Wesen mitgenommen. »Shed, du hast mal wieder vor deinem eigenen Schatten Angst.« Er betrat eine Taverne na- mens Rubinglas, die von einem Mann namens Selkirk betrieben wurde. Sheds Vermieter hatte beide empfohlen.
Ihre Gespräche verliefen ergiebig. Shed erklärte sich bereit, am folgenden Nachmittag wie- derzukommen.
Shed trank ein Bier mit seinem zukünftigen Partner. Sein Vorschlag schien Zustimmung zu finden, denn Selkirk hatte sich von seinem Leumund überzeugt und versuchte ihm das Rubinglas schmackhaft zu machen. »Sobald die Unruhe vorbei ist, wird sich auch das Nachtgeschäft beleben.« »Unruhe?«
»Ja. In dieser Gegend sind ein paar Leute verschwunden. Fünf oder sechs innerhalb der letz- ten Wochen. Nach Einbruch der Dunkelheit. Und nicht die Sorte, die für gewöhnlich von den Preßbanden einkassiert wird. Also gehen die Leute gerade ungern auf die Straße. Unser Abenddurchlauf ist nicht ganz auf der Höhe.« Die Temperatur schien um vierzig Grad zu fallen. Shed saß mit leerem Blick da, steif wie ein Brett, und die alte Furcht kroch wie ein Schlangenrudel durch ihn hindurch. Seine Finger tasteten nach dem Amulett, das er unter seinem Hemd verborgen trug. »He, Marron, was ist los?«
»So hat es auch in Juniper angefangen«, sagte er, ohne zu merken, daß er sprach. »Nur wa- ren es damals bloß die Toten. Aber sie wollten sie lebend haben. Wenn sie sie bekommen konnten. Ich muß fort.«
»Shed? Verdammt noch mal, was ist los?« Er riß sich für einen Moment zusammen. »Oh. Tut mir leid, Selkirk. Ja. Abgemacht. Aber zuerst muß ich noch etwas erledigen. Muß etwas überprüfen.« »Was denn?«
»Hat nichts mit dir zu tun. Mit uns. Mit uns ist alles klar. Ich bringe morgen mein Zeug her, und wir setzen uns dann mit den Leuten zusammen, die wir für die rechtliche Abwicklung brauchen. Ich habe nur jetzt sofort noch etwas zu erledigen.« Er verließ die Kneipe praktisch im Laufschritt. Er wußte nicht, was er tun konnte oder wo er anfangen sollte, nicht einmal, ob sein Verdacht überhaupt zutraf. Aber er war sicher, daß das,
    was sich in Juniper zugetragen hatte, in Meadenvil wieder passieren würde. Und noch um
etliches rascher, wenn die Wesen sich selbst ans Einsammeln gemacht hatten. Wieder berührte er sein Amulett und fragte sich, welchen Schutz es ihm gewährte. Besaß es eigene Macht? Oder stellte es nur ein Versprechen dar? Er hastete zu seinem Mietshaus. Dort hörten sich die Leute seine Fragen geduldig an, weil sie wußten, daß er nicht aus der Stadt war. Er fragte nach Raven. Der Mord war Stadtgespräch gewesen, weil ein ausländischer Polizist aufgrund der Aussage seiner eigenen Leute der Tat angeklagt worden war. Aber niemand wußte etwas. Für Ravens Tod gab es keine Au- genzeugen bis auf Asa. Und Asa war in Juniper. Und wahrscheinlich tot. Die Schwarze Schar hätte nicht gewollt, daß er gegen sie aussagen könnte. Er verwarf den Gedanken, mit den Überlebenden Verbindung aufzunehmen. Vielleicht woll- ten sie ihn auch aus dem Weg haben.
In dieser Sache stand er allein.
Der Ort, an dem Raven gestorben war, erschien ihm als geeigneter Ausgangspunkt. Wer wußte, wo die Stelle war? Asa. Asa war nicht greifbar. Wer sonst? Was war mit Bullock? Seine Eingeweide krampften sich zusammen. Bullock stand für all das, wovor er sich zu Hause gefürchtet hatte. Hier war er in einem Käfig, aber immer noch ein mächtiges Symbol. Konnte er dem Mann gegenübertreten?
Würde der Mann ihm überhaupt etwas sagen? Bullock zu finden war nicht schwer. Das Hauptgefängnis lief schließlich nicht davon. Den Mut zu finden, ihm gegenüberzutreten, selbst wenn er hinter Gittern war, das war etwas ganz anderes. Aber ein finsterer Schatten lag auf der gesamten Stadt. Qualen suchten Shed heim. Schuldgefühle zerrissen ihn. Er hatte Dinge getan, die es ihm unmöglich machten, mit sich selbst zu leben. Er hatte Verbrechen begangen, für die er nie- mals Sühne leisten konnte. Dennoch war da etwas… »Marron Shed, du bist ein Narr«, sagte er sich. »Mach dir doch deswegen keine Sorgen. Meadenvil kann schon auf sich selbst aufpassen. Geh einfach in eine andere Stadt.« Aber etwas, das tiefer saß als seine Feigheit, sagte ihm, daß er nicht fortlaufen konnte. Und nicht nur vor

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