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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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brüllte Shed und wandte sich ab. »Warte!«
Shed drehte sich wieder zurück.
Bullock unterdrückte seine Heiterkeit.
»Tut mir leid. Es ist nur so unwirklich. Daß du dich so rechtschaffen gibst. Ich meine, ich glaube dir wirklich, daß du es ernst meinst. In Ordnung, Marron Shed. Versuche es. Und wenn du es schaffst und mich hier rausbringst, dann schleife ich dich vielleicht nicht nach Juniper zurück.«
»Es gibt kein Juniper mehr, wohin du mich schleifen könntest, Bullock. Laut den Gerüchten hatte die Lady vor, die Katakomben auszuplündern, nachdem sie die Schwarze Burg erledigt hatte. Du weißt, was das bedeutet. Allgemeinen Aufstand.« Bullocks gute Laune verschwand. »Die Straße nach Schüttlingen bis zum zwölften Meilen- stein. Auf dem ersten Bauernpfad unter einem abgestorbenen Eichenbaum biegst du links ab. Da gehst du dann mindestens sechs Meilen weiter. Weit hinter die Bauernhöfe. Das ist wildes Land. Geh besser bewaffnet.«
»Bewaffnet?« Shed grinste breit und leicht verschämt. »Marron Shed hatte doch nie genug Traute, um den Umgang mit einer Waffe zu lernen. Danke.«
»Vergiß mich nicht, Shed. Mein Prozeß ist in der ersten Woche des kommenden Monats.« »Verstanden.«
Als Shed einen Punkt erreichte, der schätzungsweise sechs Meilen von der Straße nach Schüttlingen entfernt lag, stieg er ab und führte das gemietete Maultier. Er ging eine weitere halbe Meile. Der Feldweg war kaum mehr als ein Wildpfad, der sich durch unzugängliches Gebiet wand, das dicht mit Hartholz bedeckt war. Er entdeckte keinen Hinweis darauf, daß je ein Mensch diesen Weg beschritten hatte. Seltsam. Was hatten Asa und Raven hier draußen gesucht? Ihm fiel kein Grund ein, der einen Sinn ergeben hätte. Asa hatte behauptet, daß sie vor Bullock geflohen waren. Wenn das stimmte, warum waren sie dann nicht auf der Straße nach Schüttlingen geblieben?
Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Er berührte das Amulett und das Messer, das er in einem Ärmel verborgen hatte. Er hatte tief in die Tasche gegriffen und sich zwei gute kurze Waffen besorgt, eine für den Gürtel und eine für den Ärmel.
    Zu seiner Zuversicht trugen sie nur wenig bei.
Der Pfad führte abwärts zu einem Bach, verlief einige hundert Meter neben ihm und münde- te dann auf eine breite Lichtung. Shed wäre fast hineingestolpert. Er war ein Stadtmensch. Wilderes Gelände als die Einfriedung hatte er nie betreten. Ein unbestimmtes Gefühl von Gefahr ließ ihn am Rande der Lichtung innehalten. Er ließ sich auf die Knie sinken, schob das Unterholz beiseite, fluchte leise, als das Maultier ihn mit der Nase anstieß.
Er hatte recht gehabt.
Dort stand ein großer schwarzer Klumpen. Er war schon so groß wie ein Haus. Shed starrte auf Gesichter, die in Entsetzen und Todesqualen verzerrt waren. Hier draußen war der perfekte Ort dafür. Wenn er so rasch weiterwuchs, würde er vollendet sein, bevor ihn jemand entdeckte. Und ein zufälliger Entdecker würde mit ihm eins werden. Sheds Herz hämmerte in seiner Brust. Er wollte nichts lieber, als nach Meadenvil zurückzu- rennen, um die Gefahr, in der die Stadt schwebte, in den Straßen hinauszubrüllen. Er hatte genug gesehen. Er hatte erfahren, was zu erfahren er hergekommen war. Es war Zeit zu ver- schwinden.
Langsam schritt er voran. Er ließ die Zügel des Maultiers los, aber es folgte ihm, weil es am hohen Gras interessiert war. Vorsichtig näherte sich Shed in kleinen zögernden Schritten dem schwarzen Klumpen. Nichts passierte. Er umkreiste ihn. Die Gestalt des Dinges wurde deutlicher. Es wurde mit der Festung oberhalb von Juniper identisch, von der Art und Weise, wie sich das Fundament an den Boden anpaßte, einmal ab- gesehen. Das Tor würde sich nach Süden öffnen. Dort führte ein stark ausgetretener Pfad zu einem niedrigen Loch. Eine weitere Bestätigung seines Verdachtes. Woher waren diese Wesen gekommen? Streiften sie nach Belieben durch die Welt, verbar- gen sich am Rande der Nacht, wurden nur von denen gesehen, die mit ihnen Handel trieben? Als er wieder an der Seite ankam, von der er sich dem Ding zuerst genähert hatte, stolperte er über etwas.
Knochen. Menschenknochen. Ein Skelett. Kopf, Arme, Beine; Teile des Brustkorbs fehlten. Die Knochen waren in die zerfetzten Überreste jener Kleidung gehüllt, die er Raven hundert- mal hatte tragen sehen. Er kniete davor nieder. »Raven, ich hab dich gehaßt. Aber ich hab dich auch geliebt. Du warst der schlimmste Schurke, den ich je gekannt habe.

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