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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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Und der beste Freund, den ich je hatte. Du hast mich dazu gebracht, daß ich angefangen habe, wie ein Mann zu denken.« Tränen stiegen ihm in die Augen. Er durchstöberte Erinnerungen aus seiner Kindheit, entdeckte schließlich das Gebet für die Überfahrt der Toten. Er hub das Lied mit einer Stimme an, die nicht wußte, wie sie die Melo- die halten sollte. Das Gras knisterte nur einmal kaum hörbar. Eine Hand ergriff seine Schulter. Eine Stimme sagte: »Marron Shed.«
Shed kreischte auf und griff nach seinem Gürtelmesser.

DREIUNDVIERZIGSTES KAPITEL
Meadenvil: Eine warme Fährte
    Nach dem Besuch auf Ravens Schiff hatte ich keine gute Nacht. Es war eine Nacht voller Träume. Voller Alpträume, wenn man so will. Voller Schrecken, die ich nicht zu erwähnen wagte, als ich erwachte, denn die anderen hatten ihrerseits genug Sorgen und Ängste. Sie suchte mich im Schlaf heim, wie sie es seit unseren grausamen Rückzügen nicht mehr
getan hatte, als die Rebellen vor so langer Zeit gegen Charm vorrückten. Sie kam als ein gol- denes Leuchten, das vielleicht gar kein Traum gewesen war, denn es schien in dem Zimmer zu sein, das ich mit fünf anderen Männern teilte, beleuchtete sie und das Zimmer, während ich mit hämmerndem Herzen dalag. Die anderen rührten sich nicht, und später war ich mir nicht mehr sicher, ob ich die ganze Sache nicht geträumt hatte. Damals hatte es sich mit den Heim- suchungen genauso verhalten.
»Warum hast du mich verlassen, Wundarzt? Habe ich dich denn schlecht behandelt?« Verdutzt und verwirrt brachte ich krächzend hervor: »Entweder die Flucht oder das Ende. Wir wären nicht geflohen, wenn wir eine Wahl gehabt hätten. Wir haben dir getreu gedient, durch Fährnisse und Grauen, größer als jedes andere in der Geschichte der Kompanie. Klaglos sind wir für dich bis ans Ende der Welt marschiert. Und als wir zur Stadt Juniper kamen und die Hälfte unserer Truppen bei der Erstürmung der Schwarzen Burg opferten, haben wir erfahren, daß unser Lohn in unserer Vernichtung beste- hen sollte.«
Das wunderbare Gesicht schälte sich aus der goldenen Wolke heraus. Dieses wundervolle Gesicht, das nun traurig verzogen war. »Wisper hatte das geplant. Wisper und Feder. Aus eigenen Gründen. Aber Feder ist tot, und Wisper ist gezüchtigt worden. Auf keinen Fall hätte ich ein solches Verbrechen gestattet. Ihr wart die erwählten Werkzeuge meines Willens. Ich hätte nicht erlaubt, daß die Ränke der Unterworfenen euch zu Schaden bringen. Kommt zu- rück.«
»Es ist zu spät, Lady. Die Würfel sind gefallen. Zu viele gute Männer sind verloren. Wir sind alt geworden. Uns verlangt nur noch danach, in den Süden zurückzukehren, in der war- men Sonne auszuruhen und zu vergessen.« »Kommt zurück. Es gibt noch viel zu tun. Ihr seid die erwählten Werkzeuge meines Willens. Ich werde euch belohnen, wie noch kein Soldat je belohnt worden ist.« Ich konnte nichts Verräterisches entdecken. Aber was bedeutete das schon? Sie war uralt. Sie hatte ihren Gatten getäuscht, der weit weniger blauäugig war als ich. »Es ist zu spät, Lady.«
»Komm zurück, Wundarzt. Du, wenn schon kein anderer. Ich brauche deine Schreibfeder.« Ich weiß nicht, warum ich folgende Worte sprach. Es war nicht das Allerklügste, wenn sie uns auch nur das allergeringste Wohlwollen entgegenbrachte, wenn sie nur eben gerade nicht
    heulend vor Wut hinter uns herjagte. »Das eine werden wir für dich tun. Denn wir sind alt und
müde und wollen vom Krieg nichts mehr wissen. Wir werden uns nicht gegen dich stellen. Wenn du dich nicht gegen uns stellst.«
Traurigkeit ging von dem Schimmer aus. »Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid. Du warst einer meiner Lieblinge. Eine Eintagsfliege, die mich fasziniert hat. Nein, Leibarzt. Das kann nicht sein. Ihr könnt nicht neutral bleiben. Das konntet ihr nie. Ihr müßt auf meiner Seite ste- hen oder gegen mich. Ein Dazwischen gibt es nicht.« Und mit diesen Worten entschwand die goldene Wolke, und ich fiel in einen tiefen Schlaf – wenn ich jemals wach gewesen war.
Ich erwachte ausgeruht, jedoch völlig verstört, und konnte mich zuerst nicht an die Heimsu- chung erinnern. Dann drängte sie sich mit aller Gewalt wieder in mein Bewußtsein. Ich warf mir rasch die Kleidung über und rannte zum Leutnant. »Leutnant, wir müssen allmählich in die Gänge kommen. Sie hat gewonnen. Sie wird uns hierher folgen.« Er machte ein erschrockenes Gesicht. Ich erzählte ihm von der nächtlichen Vision. Er nahm

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