Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
Vom Netzwerk:
Stuhl zusammengesackt. Die Arme hatte er auf der Reling verschränkt und den Kopf darauf abgelegt.
    »Keine Darling«, sagte ich.
»Keine Darling.«
»Sonst noch jemand da?«
»Nein.«
»Dann los. Kopf unten lassen, bißchen hurtig das Ganze, ihr wißt schon.« Wir überquerten den Pier und liefen die Gangway hinauf. Der Seemann regte sich. Goblin berührte ihn kurz, und er erschlaffte wie ein Toter. Goblin wuselte nach vorne, dann nach achtern zu den Männern auf Rattenwache. Er kam zurück und nickte. »Acht Mann unten, alle schlafen. Ich schalte sie aus. Macht ihr weiter.« Wir fingen mit der größten Kajüte an, weil wir davon ausgingen, daß sie dem Eigner gehö- ren würde. Das war auch der Fall. Sie lag im Heck, wo für gewöhnlich die Kajüte des Schiffs- herrn eingebaut ist, und war in zwei Abschnitte unterteilt. In einem Abschnitt fand ich Sa- chen, die darauf hindeuteten, daß er von Darling bewohnt gewesen war. Auf Ravens Seite fanden wir verschmutzte Kleidung, die schon vor einiger Zeit abgelegt worden war. Der ange- sammelte Staub zeigte an, daß die Kajüte seit Wochen von niemandem betreten worden war. Die gesuchten Papiere fanden wir nicht. Allerdings fanden wir Geld. Einen sehr ansehnlichen Betrag. Zwar war er gut versteckt, aber Einauges Sinn für solche Dinge ist unfehlbar. Eine Kiste, die bis zum Rand mit Silber gefüllt war, kam zum Vorschein.
»Ich denke nicht, daß Raven das braucht, wenn er tot ist« sagte Einauge. »Und wenn nicht – tja, Schicksal. Seine alten Kumpel haben’s nötig.« An den Münzen war etwas Seltsames. Ich besah sie mir näher und erkannte, was das Selt- same war. Sie waren Münzen der gleichen Art, wie Shed sie von der Schwarzen Burg erhalten hatte. »Beschnupper diese Dinger mal«, sagte ich zu Einauge. »Die kommen aus der Schwar- zen Burg. Stelle fest, ob mit ihnen irgendwas nicht stimmt.« »Nein. So gut wie Gold.« Er lachte leise. »Mm-hmm.« Ich hatte keine Skrupel, das Geld einzukassieren. Raven hatte es mit üblen Mitteln an sich gebracht. Das machte es zur freien Beute. Wie man in Juniper sagt, es hatte keine Herkunft. »Kommt mal her. Ich habe eine Idee.« Ich ging zu den Bullaugen, von denen aus ich das Dock beobachten konnte. Sie scharten sich um mich und die Kiste. »Was denn?« wollte Goblin wissen. »Warum nur das Geld nehmen? Warum holen wir uns nicht das ganze verdammte Schiff? Wenn Raven tot ist oder vorgibt, es zu sein, was soll er dann schon dagegen sagen? Wir könn- ten es zu unserem Hauptquartier machen.« Goblin gefiel die Idee. Also gefiel sie Einauge nicht. Um so mehr, da Schiffe mit Wasser zu tun hatten. »Was ist mit der Mannschaft?« fragte er. »Was ist mit dem Hafenmeister und sei- nen Leuten? Die hetzen uns doch das Gesetz auf den Hals.«
    »Vielleicht. Aber ich glaube, damit werden wir fertig. Wenn wir hier einziehen und die
Mannschaft einsperren, gibt es niemanden, der sich beschweren kann. Wenn sich niemand beschwert, warum sollte dann der Hafenmeister Interesse zeigen?« »Es ist nicht die ganze Mannschaft an Bord. Einige sind in der Stadt.« »Wir schnappen sie uns, wenn sie zurückkommen. Verdammt, Mann, welche bessere Mög- lichkeit hätten wir denn, um rasch verschwinden zu können? Und welchen besseren Ort gibt es, um auf Raven zu warten, falls er auftauchen sollte?« Einauge gab sich zufrieden. Im Grunde ist er ein fauler Mensch. Außerdem war da ein Fun- keln in seinem Auge, das besagte, daß er mir einige Gedankengänge voraus war. »Wir sollten das mit dem Leutnant besprechen«, sagte er. »Er kennt sich mit Schiffen aus.« Goblin kannte Einauge sehr gut. »Schau bloß nicht mich an, wenn du an Piraterie denkst. Ich habe sämtliche Abenteuer erlebt, die ich je haben wollte. Ich will nach Hause.« Sie gerieten in Streit, wurden dabei laut und mußten zum Schweigen gebracht werden. »Wir sollten uns lieber Gedanken machen, wie wir die nächsten paar Tage überstehen«, knurrte ich böse. »Was wir später machen, darüber denken wir auch später nach. Schaut her. Wir haben Kleidungsstücke, die Darling und Raven gehört haben. Könnt ihr sie jetzt finden?« Sie steckten die Köpfe zusammen. Nach einigem Hin und Her verkündete Goblin: »Schwei- ger glaubt, daß er es kann. Das Dumme ist, daß er es wie ein Hund tun muß. Die Fährte auf- nehmen und ihr überall dorthin folgen, wohin Raven gegangen ist. Bis zu dem Ort, an dem er starb. Oder auch nicht starb. Wenn er nicht starb, bis zu dem Ort, wo er sich jetzt aufhält.«

Weitere Kostenlose Bücher