Nacht über Juniper
»Schaut nur. Er trägt immer noch seine Ringe. Und das sind seine Gürtelschnalle und sein Schwert und sein Messer.« Doch der Schatten eines Zweifels war in seiner Stimme zu hören. Allmählich schwenkte er in meine Richtung. Und ich fragte mich immer noch, warum das schöne neue Schiff nicht abgeholt worden war.
»Hagop. Such nach Spuren, nach denen sich jemand in eine andere Richtung abgesetzt hat.
Asa. Du sagtest, daß du weggerannt bist, sobald du gesehen hast, was hier geschah?« »Ja.«
»Also. Denken wir darüber mal nicht mehr nach, und versuchen wir uns zusammenzurei- men, was hier passiert ist. Wenn man es sich so ansieht, hatte der Tote etwas bei sich, das zu dem da wurde.« Ich zeigte auf den schwarzen Haufen. Überrascht stellte ich fest, wie wenig schwer es mir doch fiel, gar nicht auf ihn zu achten. Vermutlich kann man sich an alles ge- wöhnen. Ich war so lange um die große Burg in Juniper herumspaziert, bis ich das kalte Grau- en abgelegt hatte, das mich eine Zeitlang heimgesucht hatte. Ich meine, wenn die Menschen sich an Schlachthöfe gewöhnen können oder an meine Berufe – Soldat oder Arzt – dann kön- nen sie sich an alles gewöhnen.
»Asa, du bist mit Raven zusammengewesen. Shed, er hat zwei Jahre in deinem Haus ge- wohnt, und du warst sein Partner. Was hat er von Juniper mitgebracht, das zum Leben er- wacht und das dort hätte werden können?« Sie schüttelten die Köpfe und starrten auf die Knochen. »Denkt nach«, drängte ich sie. »Shed, es mußte etwas sein, das er bereits hatte, als du ihn kennenlerntest. Er ist schon lange, bevor er nach Süden aufbrach, nicht mehr den Hügel hinaufgegangen.« Eine oder zwei Minuten verstrichen. Hagop arbeitete sich jetzt am Rande der Lichtung ent- lang. Ich hatte kaum Hoffnung, daß er nach so langer Zeit noch Spuren finden würde. Ich war kein Waldläufer, aber ich kannte Raven. Plötzlich japste Asa auf.
»Was ist?« fauchte ich.
»Alles ist hier. Du weiß schon, all das Metall. Sogar seine Knöpfe und das andere Zeug. Bis auf eines.«
»Nun?«
»Diese Kette, die er trug. Ich habe sie nur ein- oder zweimal gesehen… Was ist denn los, Shed?«
Ich drehte mich um. Shed griff sich über dem Herzen an die Brust. Sein Gesicht war mar- morweiß. Er rang nach Worten und konnte keine hervorbringen. Dann versuchte er sich das Hemd aufzureißen.
Ich dachte, daß er einen Anfall hatte. Aber als ich ihn erreichte, um ihm zu helfen, öffnete er das Hemd und packte etwas, das er um den Hals trug. Etwas an einer Kette. Er versuchte sie mit Gewalt loszuwerden. Die Kette wollte nicht zerreißen. Ich zwang ihn dazu, sie sich über den Kopf zu streifen, wand sie ihm aus den starren Fingern und hielt sie Asa hin.
Asa sah ein wenig bleich aus. »Ja. Das ist sie.« »Silber«, sagte Einauge und sah bedeutungsvoll zu Hagop hinüber.
So dachte er eben. Und vielleicht hatte er auch recht.
»Hagop! Komm mal her.«
Einauge nahm das Ding an sich und hielt es in das Licht. »Schöne Arbeit…«, sinnierte er… Dann schleuderte er es von sich und sprang in die Höhe wie ein Frosch vom Seerosenblatt. Im Fluge bellte er wie ein Schakal.
Licht blitzte auf. Ich wirbelte herum. Neben dem schwarzen Klumpen standen zwei Burg- wesen wie eingefroren; sie hatten uns gerade angreifen wollen. Shed fluchte. Asa kreischte. Kingpin raste an mir vorbei und stieß seine Klinge tief in einen Brustkorb. Ich war so er- schrocken, daß ich das gleiche tat, ohne daran zu denken, welche Schwierigkeiten ich bei un- serem vorigen Scharmützel gehabt hatte. Wir trafen beide dasselbe Wesen. Beide rissen wir die Waffe wieder frei. »Auf den Hals«, keuchte ich. »Geh die Ader am Hals an.« Einauge war wieder kampfbereit. Später sagte er mir, daß er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrgenommen hatte und gerade rechtzeitig losgesprungen war, um einem Wurf- geschoß auszuweichen. Sie hatten gewußt, wen sie sich als ersten vornehmen mußten. Wer der Mächtigste war.
Von hinten kam Hagop heran, als die Wesen sich wieder in Bewegung setzten. Er griff mit seinem Schwert in den Kampf ein.
Zu meiner Überraschung tat Shed desgleichen. Er legte geduckt mit einem ein Fuß langen Messer los und hackte auf eine Achillessehne ein. Es dauerte nicht lange. Einauge hatte uns die nötige Atempause verschafft. Sie stellten sich stur dabei an, aber sie starben. Der letzte sah zu Shed auf, lächelte und sagte: »Marron Shed. Du wirst nicht vergessen werden.«
Shed begann zu zittern.
Aas sagte: »Er hat dich
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