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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper
Autoren: Glen Cook
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Holz sammeln geht.« Raven ging zu seinem Platz zurück. Er tauschte lebhafte Zeichen mit Darling aus, die er vor Shed abschirmte. So wie das Mädchen ihre Schultern hielt, war sie mit dem, was er vorbrachte, nicht einverstanden. Zehn Minuten später verließ er die Lilie. Jeden Nachmittag war er ein paar Stunden lang fort. Shed vermutete, daß er Krages Beobachter auf die Probe stellte.
Darling lehnte sich an den Türrahmen und sah auf die Straße hinaus. Shed beobachtete sie, und sein Blick glitt auf und nieder über ihre Gestalt. Sie gehört Raven, dachte er. Sie hängen immer zusammen. Ich wage es nicht.
Aber sie sah so gut aus, hochgewachsen, schlanke Beine, bereit für einen Mann… Er war ein Narr. In dieser Falle mußte er sich nicht auch noch fangen. Er hatte schon Ärger genug.
    »Ich glaube, heute wäre ein guter Tag«, sagte Raven, als Shed ihm das Frühstück brachte.
    »Hä? Gut wofür?«
»Für einen Spaziergang den Hügel hinauf, um Freund Asa auf die Finger zu schauen.« »Ach. Nein. Das geht nicht. Ich habe niemanden, der den Laden übernehmen kann.« Am Tresen bückte sich Darling und hob etwas vom Boden auf. Sheds Augen wurden groß, und sein Herz flatterte. Er mußte irgend etwas tun. Eine Hure besuchen oder so. Oder Schmerzen erleiden. Aber er konnte sich keine Hure leisten. »Darling wird alleine damit nicht fertig.« »Dein Vetter Wally ist doch auch schon früher für dich eingesprungen.« Der Einwand erwischte ihn kalt, und Shed fiel so rasch keine weitere Ausrede ein. Und Dar- ling brachte ihn völlig durcheinander. Sie mußte unbedingt etwas anderes anziehen, damit die Form ihres Hinterns nicht so deutlich zu erkennen war. »Ääh… Er kommt mit Darling nicht klar. Er kennt die Zeichen nicht.«
Ravens Gesicht verdüsterte sich leicht. »Dann gib ihr den Tag frei. Hol dir diese Lisa, die du eingestellt hast, als Darling krank wurde.« Lisa, dachte Shed. Auch so ein heißes Eisen. »Ich lasse Lisa eigentlich nur hier arbeiten, wenn ich hier bin, um ihr auf die Finger zu sehen.« Ein ungebundenes heißes Eisen. »Sie klaut mir die Sachen weg, bis ich noch blinder bin als meine Mutter… « »Shed!«
»Hä?«
»Hol Wally und Lisa; dann geh los und behalte Asa im Auge. Ich kümmere mich darum, daß sie das Familiensilber hierlassen.«
»Aber…«
Raven schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ich sagte los!«
    Der Tag war klar und hell und für die winterliche Jahreszeit auch warm. Shed nahm Asas Spur vor seiner Behausung auf.
Asa mietete sich einen Wagen. Shed wunderte sich. Im Winter verlangten die Stallbesitzer hohe Gebühren. Geschlachtete und verspeiste Zugtiere hatten keine Herkunft… Er hielt es für ein Wunder, daß jemand Asa ein Gespann anvertraute. Asa fuhr direkt zur Einfriedung. Shed stapfte mit gesenktem Kopf hinter ihm her; er war si- cher, daß Asa ihn nicht bemerken würde, selbst wenn er zurückblickte. Die Straßen waren dichtgedrängt voll Menschen.
Asa ließ den Wagen in einem öffentlichen Hain stehen. Dieser lag auf der anderen Seite ei- ner Straße, die an der Rundmauer der Einfriedung verlief. Es war nur eines von mehreren Wäldchen, in denen sich Junipers Bevölkerung zu den Frühlings- und Herbstriten für die To- ten versammelte. Von der Straße aus konnte man den Wagen nicht mehr sehen. Shed kauerte sich in Schatten und Gebüsch und sah zu, wie Asa zur Mauer um die Einfrie-
    dung flitzte. Jemand sollte diese Sträucher entfernen, dachte Shed. Sie ließen die Mauer schä-
big aussehen. Die Mauer mußte eigentlich auch repariert werden. Shed ging über die Straße und entdeckte eine Lücke, durch die ein Mann gebückt hindurchgehen konnte. Er kroch hin- durch. Asa überquerte gerade eine offene Wiese und eilte einen Hügel hinauf, auf dem eine Kieferngruppe stand.
Die Innenseite der Mauer war ebenfalls von Büschen abgeschirmt. Zwischen den Büschen lagen dutzendweise Holzbündel. Asa hatte ein größeres Unternehmen laufen, als Shed bisher gedacht hatte. Der Umgang mit Krages Bande hatte ihn wohl doch verändert. Sie hatten ihm wirklich einen Schrecken eingejagt.
Asa drang in das Kiefernwäldchen ein. Shed japste hinterher. Vor ihm machte Asa Geräu- sche wie eine Kuh, als er durch das Unterholz brach. Die gesamte Einfriedung war verwahrlost. In Sheds Jugend war sie wie ein Park gewesen, ein angemessener Warteplatz für jene, die vorangegangen waren. Jetzt sah sie ebenso fa- denscheinig aus wie der Rest von Juniper. Shed kroch auf hämmernde Geräusche zu. Was
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