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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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androhte, die Wächter zu rufen.
    Sheds Knie schlugen gegeneinander. Der Griff seines Fleischermessers war naß und glitschig von Schweiß. Er hätte die Klinge gar nicht benutzen können, aber Asa hatte zuviel Angst, um
    das zu bemerken. Er quiekte seinem Gespann nur einen Befehl zu und fuhr an. Raven folgte
ihnen in seinem Wagen. Shed blickte kurz über das Tal. Die schwarze Burg verdüsterte den nördlichen Horizont und warf ihren furchtbaren Schatten auf Juniper. Warum stand sie dort? Woher war sie gekommen? Er wies die Fragen von sich. Es war bes- ser, sich nicht darum zu kümmern.
Wie war er da nur hineingeraten? Er befürchtete das Schlimmste. Raven hatte keine Ah- nung, was er da tat.
Sie ließen die Wagen im Hain stehen und drangen in die Einfriedung vor. Raven musterte Asas Holzvorrat. »Schafft diese Bündel zu den Wagen. Stapelt sie erst einmal an den Seiten auf.«
»Du kannst doch nicht einfach mein Holz nehmen«, begehrte Asa auf. »Halt den Mund.« Raven schob ein Bündel durch die Maueröffnung. »Du zuerst, Shed. Kleiner Mann, ich hetze dich zu Tode, wenn du davonläufst.« Sie hatten ein Dutzend Bündel fortgeschafft, als Asa plötzlich raunte: »Shed, einer von Kra- ges Kerlen beobachtet uns.« Er war kurz davor, in Panik zu geraten. Raven schien die Neuigkeit nicht zu mißfallen. »Ihr beide holt weiter Bündel aus den Wäl- dern.«
Asa protestierte. Raven starrte ihn finster an. Asa trabte den Hügel hinauf. »Woher weiß er das?« jammerte er zu Shed. »Er ist mir niemals gefolgt. Da bin ich mir sicher.« Shed zuckte die Achseln. »Vielleicht ist er ein Zauberer. Er weiß immer, was ich denke.« Als sie zurückkamen, war Raven verschwunden. Shed sah sich nervös um und sagte dann: »Wir holen noch eine Ladung.«
Bei ihrer Rückkehr wartete Raven auf sie. »Bringt dieses Bündel zu Asas Wagen.« »Als Demonstration«, sagte Shed und zeigte in den Wagen. Blut, das unter einem Holzhau- fen hervorquoll, lief über die Pritschenbretter. »Siehst du jetzt, was für ein Mensch er ist?« »Jetzt den Hügel hinauf«, befahl Raven, als sie zurückkamen. »Du gehst voran, Asa. Sam- mele erst einmal deine Fackeln und Werkzeuge zusammen.« Ein Verdacht keimte in Shed, als er sah, wie Raven eine Bahre zusammenbaute. Aber – nein. Nicht einmal Raven würde so tief sinken. Oder doch? Sie blieben stehen und starrten in das finstere Maul der Unterwelt. »Du zuerst, Asa«, sagte Raven. Widerstrebend stieg Asa hinab. »Du bist dran, Shed.« »Hab doch ein Herz, Raven.«
»Beweg dich.«
Shed bewegte sich. Raven kam hinter ihm. In den Katakomben roch es nach totem Fleisch, aber nicht so schlimm, wie Shed es erwartet
    hatte. Zugluft ließ Asas Fackel flackern.
»Halt«, sagte Raven. Er nahm die Fackel, musterte die Lücke, durch die sie hereingekom- men waren, nickte, gab die Fackel zurück. »Geh voran.« Die Höhlung erweiterte sich und führte in eine größere Höhle. Auf halbem Wege blieb Asa stehen. Shed hielt ebenfalls an. Er war von Knochen umgeben. Knochen auf dem Höhlenbo- den, Knochen auf Gerüsten an den Wänden, Skelette, die an Haken hingen. Lose Knochen, die ungeordnet in Häufchen und Haufen lagen. Gerippe, die dazwischen schliefen. Knochen, an denen immer noch Reste der Grabgewänder hingen. Schädel, die von hölzernen Haken von der gegenüberliegenden Wand herabgrinsten, und über deren leere Augenhöhlen das Fackel- licht unheimlich spielte. An jedem Haken hing eine Überfahrtsurne. Auch mumifizierte Leichen lagen hier, aber nur wenige. Nur die Reichen ließen sich einbal- samieren. Hier bedeutete Reichtum nichts. Sie lagen auf den gleichen Haufen wie die anderen auch.
Asa meinte: »Das ist eine richtig alte Stätte. Die Wächter kommen nicht mehr hierher, außer vielleicht, wenn sie lose Knochen ablegen wollen. Die ganze Höhle ist so vollgestopft, als ob sie sie einfach irgendwie beiseite geschoben haben.« »Schauen wir uns das doch einmal an«, sagte Raven. Asa hatte recht. Die Höhle wurde schmaler, und ihre Decke senkte sich. Der Durchgang war mit Knochen verstopft. Shed bemerkte, daß hier Schädel und Urnen fehlten. Raven lachte leise. »Eure Wächter sind nicht ganz so leidenschaftlich um die Toten bemüht, wie du dachtest, Shed.«
»Die Kammern, die man während der Frühlings- und Herbstriten sieht, sehen nicht so aus«, gab Shed zu.
»Ich glaube nicht, daß sich noch jemand um die Alten kümmert«, sagte Asa. »Gehen wir zurück«, meinte Raven. Auf dem Weg stellte er fest: »Hier

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