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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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hätte ein halbes Jahrzehnt ge- braucht, um diese Summe auf ehrliche Weise zusammenzukratzen. Er war reich! Verdammt sollte er sein, er war reich! Er konnte alles tun, was er nur wollte. Keine Schulden mehr. Kein Krage mehr, der ihm langsam die Kehle zudrückte. Nie mehr nur Hafergrütze als Mahlzeit. Die Lilie konnte zu einem anständigen Laden werden. Vielleicht fand er einen Ort, wo man sich anständig um seine Mutter kümmern würde. Frauen. So viele Frauen, wie er haben woll- te.
Als er den Wagen wendete, fiel sein Blick auf einen hohen Mauerabschnitt, der bei seinem letzten Besuch noch nicht dort gestanden hatte. Ein Gesicht starrte daraus hervor. Es war das Gesicht des Mannes, den Raven und er lebendig hierher gebracht hatten. Seine Augen blick- ten ihn an.

VIERZEHNTES KAPITEL
Juniper: Duretile
    Wisper lieferte uns bei einer verfallenen Burg namens Duretile ab. Von dort hat man einen guten Blick über Juniper im allgemeinen und die Einfriedung im besonderen. Eine Woche lang hatten wir keinerlei Umgang mit unseren Gastgebern. Es gab keine gemeinsame Sprache. Dann wurden wir mit der Anwesenheit eines Schlägers namens Bullock beehrt, der die Spra- chen der Juwelenstädte beherrschte.
Bullock war eine Art Vollstrecker für die hiesige Religion. Die ich zunächst überhaupt nicht kapierte. Zuerst sieht sie wie eine Art Todeskult aus. Bei näherem Hinsehen stellt man dann fest, daß der Tod und die Toten nicht nur geachtet, sondern sogar verehrt und die Leichen mit fanatischem Eifer für irgendeine jüngstgerichtliche Wiederauferstehung bewahrt werden. Da- durch wird das ganze Wesen Junipers bestimmt, mit Ausnahme des Stiefelviertels, wo das Leben so viele weit wichtigere Sorgen als das Wohlergehen der Toten hat. Ich konnte Bullock vom ersten Augenblick an nicht ausstehen. Ich hatte den Eindruck, daß er zu Gewaltausbrüchen neigte und ein Sadist war, ein Polizist, der seine Fälle mit einem Tot- schläger löste. Wenn die Lady Juniper annektierte, würde er am Leben bleiben. Ihre Militär- gouverneure haben Verwendung für seinesgleichen. Die Annexion erwartete ich innerhalb von Tagen nach dem Eintreffen des Hauptmanns. Be- vor er hier ankam, würden wir den Ort schon ausgekundschaftet haben. Ein Wort von Charm, und die Sache wäre gegessen. Ich sah keinerlei Anzeichen dafür, daß die Leute des Herzogs das würden verhindern können.
Sobald Feder und Wisper unsere Leute beisammen hatten, was die Übersetzer, Bullock, den Herzog selbst und einen Mann namens Hargadon einschloß, der der Oberste Wächter der To- ten war – was bedeutete, daß er die Aufsicht über die Katakomben hatte, wo die Toten aufbe- wahrt wurden – führten sie uns in die bittere Kälte auf Duretiles Nordwall. Der Herzog streck- te einen Arm aus. »Wegen der Festung dort drüben habe ich um Hilfe gerufen.« Ich sah hinüber und erschauerte. Dem Ort haftete etwas Unheimliches an. »Wir nennen sie die schwarze Burg«, sagte er. »Sie steht schon seit Jahrhunderten dort.« Und dann tischte er uns einen Brocken auf, der zum Schlucken fast zu groß war. »Erst war sie nur ein kleiner schwarzer Stein, der neben einem toten Mann lag. Der Mann, der ihn fand, wollte den Stein aufheben. Er starb. Und der Stein wurde allmählich größer. Seither ist er immer größer geworden. Unsere Vorfahren haben damit experimentiert. Sie haben die Burg angegriffen. Nichts konnte ihr etwas anhaben. Wer sie berührte, starb. Um nicht den Verstand zu verlieren, beschlossen sie, die Burg nicht zu beachten.« Ich schirmte meine Augen ab, starrte zu der Burg hinüber. Sie unterschied sich gar nicht so sehr von Duretile, sie war bloß schwarz und jagte mir Schauer über den Rücken. Der Herzog fuhr fort: »Jahrhundertelang wurde sie kaum größer. Es ist erst einige Genera- tionen her, seit sie nicht mehr wie ein Felsen aussieht.« Sein Blick bekam etwas Gequältes. »Man sagt, daß dort drin Wesen leben.«
    Ich lächelte. Was erwartete er denn? Eine Festung existierte nun einmal, um etwas zu umge-
ben, ganz gleich, ob sie erbaut wurde oder gewachsen war. Hargadon nahm den Faden auf. Er hatte seinen Beruf schon zu lange ausgeübt und den pom- pösen Stil eines Beamten entwickelt. »Während der letzten paar Jahre ist sie verdammt schnell gewachsen. Das Amt der Wächter begann sich Sorgen zu machen, als uns Gerüchte zu Ohren kamen – die aus dem Stiefel stammten und daher natürlich unzuverlässig waren –, die besagten, daß die Kreaturen in der Burg Leichen

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