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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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sämtliche Überfahrtsurnen gestohlen, die sie in die Finger bekommen konnten. Haben sie rausgeholt und ausgeleert und vergraben. Sie haben sogar eine ganze Reihe alter Mumien mitgehen lassen. Ich habe noch nie soviel Heulen und Zähneklappern gesehen. Vergiß lieber deinen Plan, dich in die Katakomben zu schleichen.«
Ich hatte erwähnt, daß ich gerne einmal nachsehen würde, was sich dort unten tat. Vorzugs- weise ohne Fremdenführer. »Du meinst, daß sie sich dann aufregen, ja?« »Aufregen trifft’s noch nicht einmal zur Hälfte. Bullock führt üble Reden. Würde mir an Stelle der Kerle gar nicht gefallen, von ihm erwischt zu werden.« »Ach? Das überprüfe ich mal besser.«
Bullock hielt sich gerade in Duretile auf, um seine Arbeit mit der unfähigen Geheimpolizei des Herzogs abzustimmen.
Diese Typen waren ein Witz. Sie waren praktisch Berühmtheiten, und keiner von ihnen hatte den Mumm, in den Stiefel hinunterzugehen, wo sich die wirklich interessanten Dinge taten. In jeder Stadt gibt es ein Viertel wie den Stiefel, obwohl der Name wechselt. Es ist das Elendsviertel, das so schlimm ist, daß die Polizei sich nur in Truppenstärke dort hineinwagt.
    Das Gesetz ist dort bestenfalls eine Sache des Zufalls und wird meistens von selbsternannten
Magistraten durchgesetzt, die dabei von ihren eigenen Schlägern unterstützt werden. Die Ge- rechtigkeit, die sie ausüben, ist sehr subjektiv und häufig genug rasch, streng, gnadenlos und von Schmiergeldern bestimmt.
Ich fing Bullock ab und sagte ihm: »Bis diese neue Geschichte geklärt ist, bleibe ich an dir kleben wie dein eigenes Bein.« Er verzog das Gesicht. Seine Hängebacken röteten sich. »Be- fehl«, log ich mit einem vorgetäuschten entschuldigenden Ton. »Ach ja? In Ordnung. Komm mit.«
»Wohin willst du?«
»In den Stiefel. So etwas konnte nur aus dem Stiefel kommen. Ich werde es aufspüren.« Trotz seiner anderen Nachteile hatte er Mumm. Ihm machte nichts angst. Ich wollte den Stiefel gern sehen. Dafür war er wahrscheinlich der beste Führer, den es gab. Ich hatte gehört, daß er oft dorthin ging, ohne daß es Ärger gab. Sein Ruf war nun mal so mies. Ein guter Schatten, um sich darin aufzuhalten. »Jetzt?« fragte ich.
»Jetzt.« Er führte mich in die Kälte hinaus und den Hügel hinab. Er ritt nicht. Eine seiner kleinen Eigenheiten. Er ritt niemals. Er legte den raschen Schritt eines Mannes vor, der es gewohnt ist, seine Angelegenheiten zu Fuß zu erledigen. »Wonach halten wir Ausschau?« fragte ich. »Nach alten Münzen. Die Kammer, die geschändet wurde, ist mehrere Jahrhunderte alt. Wenn in den letzten paar Tagen jemand eine Menge altes Geld ausgegeben hat, finden wir vielleicht eine Spur, die uns zu unseren Männern führt.« Ich runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, nach welchem Muster hierzulande das Geld ausgege- ben wird. An Orten, wo ich gewesen bin, kann es allerdings passieren, daß die Leute sich seit Unzeiten an einen alten Familienschatz klammern, dann kommt ein schwarzes Schaf und gibt es alles aus. Einige alte Münzen müssen dann nichts bedeuten.« »Wir suchen nach einer Flut, nicht nach nur ein paar. Nach einem Mann, der eine ganze Handvoll ausgegeben hat. Drei oder vier Männer waren an der Sache beteiligt. Die Chancen stehen gut, daß einer davon ein Idiot ist.« Bullock hatte ein gutes Verständnis für die dusseli- ge Seite der menschlichen Natur. Vielleicht weil er ihr selbst so nahestand. Miau. »Wir werden richtig nett vorgehen«, sagte er zu mir, als ob er erwartete, daß ich die Leute in gerechter Empörung zu Boden schmettern würde. Seine Werte waren die einzigen, die er sich vorstellen konnte. »Der Mann, den wir erwischen wollen, wird fliehen, wenn er hört, daß ich Fragen stelle.«
»Wir verfolgen ihn?«
»Nur so, daß er in Bewegung bleibt. Vielleicht führt er uns irgendwohin. Dort unten kenne ich ein paar Bosse, die so etwas eingefädelt haben könnten. Wenn es einer von ihnen war, will ich seine Eier auf einem Tablett.«
    Er sprach wie im Fieber, wie ein Mann, der für eine gerechte Sache kämpft. Hatte er einen
bestimmten Groll gegen die Verbrechenskönige des Stiefels? Ich stellte die Frage. »Ja. Ich komme aus dem Stiefel. Ein zäher Bursche, der Glück hatte und bei den Wächtern unterkam. Mein Vater hatte kein Glück. Versuchte eine Schutzgeldbande loszuwerden. Er zahlte, und sie schützten ihn nicht vor einer anderen Bande mit dem gleichen Dreh. Er sagte, daß er kein gutes Geld für etwas bezahlen

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