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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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bringen. Man muß verstehen, was die Schar bedeutet. Für uns ist sie Vater, Mutter, Familie. Wir sind Männer, die nichts anderes haben. Ravens Gefangennahme würde diese Familie im über- tragenen Sinne und auch wortwörtlich töten. Nachdem die Lady uns in der Luft zerrissen hat-
    te, weil wir damals Raven nicht an sie übergeben hatten, würde sie die restliche Truppe auflö-
sen.
Ich sagte zu Wisper: »Es wäre vielleicht hilfreich, wenn wir wüßten, womit wir es hier zu tun haben. Es ist schwer, etwas ernst zu nehmen, wenn niemand einem was sagt. Worum geht es bei dieser ganzen Geschichte eigentlich? Ich gebe zu, daß diese Burg verdammt bizarr ist. Aber was geht uns das an?«
Wisper schien darüber nachzudenken. Einige Sekunden lang starrten ihre Augen ins Leere. Sie hatte die Angelegenheit einer höheren Stelle vorgelegt. Sie besprach sich mit der Lady. Als sie wieder da war, sagte sie: »Die Schwarze Burg hat ihre Wurzeln im Gräberland.« Das weckte unsere Aufmerksamkeit. Ich krächzte: »Was?« »Die Schwarze Burg ist das Schlupfloch des Dominators. Wenn sie eine bestimmte Größe erreicht hat und bestimmte Umstände zusammentreffen, werden die Kreaturen, die dort leben, die mit Herz und Seele seine Kreaturen sind, ihn aus dem Großen Grab heraufbeschwören. Hierher.«
Einige Männer schnaubten ungläubig. Trotz all der unheimlichen Dinge und Zaubereien, die wir schon gesehen hatten, schien uns das doch sehr weit hergeholt. Wisper sagte: »Er hat seine Niederlage durch die Weiße Rose vorausgesehen, jedoch nicht den Verrat seitens der Lady. Noch vor dem Ende der Unterdrückung begann er, seine Rück- kehr vorzubereiten. Er schickte einen treuen Gefolgsmann mit der Saat für die Schwarze Burg hierher. Etwas ist schiefgegangen. Er hatte nie geplant, so lange warten zu müssen. Vielleicht wußte er nichts von Junipers Brauch, die Toten zu bewahren. Worauf warten sie eigentlich? Daß sie ein Schiff ins Paradies bringt?« »So ungefähr«, nickte ich. »Ich habe mich etwas damit befaßt, aber die ganze Sache kommt mir immer noch wie Gewäsch vor. Weiter. Der Dominator wird hier aus der Kiste springen?« »Nicht wenn wir ihn aufhalten können. Aber wir sind vielleicht schon zu spät hier eingetrof- fen. Dieser Mann. Wenn wir ihn nicht bald zu fassen kriegen, dann wird es zu spät sein. Das Portal steht kurz davor, geöffnet zu werden.« Ich sah Elmo an. Er sah mich an. O Mann, dachte ich. Wenn Raven wußte, was er da tat… ich konnte mich immer noch nicht darüber aufregen. Er tat es für Darling. Er konnte nicht gewußt haben, daß er das Werk des Dominators verrichtete. Soviel Gewissen hatte er nun doch noch. Er hätte einen anderen Weg gefunden. Was zur Hölle hatte er bloß mit soviel Geld vor?
Wir mußten ihn finden. Nur darum ging es noch. Was immer wir von jetzt ab taten, unser Hauptziel bestand von nun an um der Schar willen darin, ihn von seinem Tun abzubringen. Ich warf einen kurzen Blick zu Elmo. Er stimmte mir zu. Von diesem Augenblick an würden wir für das Überleben der Truppe kämpfen. Irgendwo, irgendwie, mußte Raven den Ärger gerochen haben. Goblin drehte jeden Stein im Stiefel um, behielt jede Gasse im Auge, nistete sich praktisch in der Eisernen Lilie ein und fand nur ein großes Bündel Nichts. Die Zeit kroch dahin. Wärmeres Wetter zog herauf. Und unsere Panik wurde immer größer.

EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Juniper
    Kurz nachdem der äußere Kanal wieder eröffnet wurde, reiste Raven ab. Shed ging zum Ha- fen, um sich zu verabschieden – und entdeckte erst da die Art von Ravens Investition in die Schiffahrt. Er hatte ein Schiff bauen und bemannen lassen. Ein ganz neues Schiff, so groß, wie Shed noch keines gesehen hatte. »Kein Wunder, daß er ein Vermögen gebraucht hat«, sinnierte er. Wie viele Leichen waren nötig, um so etwas zu bauen? Wie betäubt ging er zur Lilie zurück. Er goß sich Wein ein, setzte sich und starrte ins Nichts. »Dieser Raven war ein Mann mit Vorstellungskraft«, murmelte er. »Bin aber doch froh, daß er weg ist. Asa auch. Vielleicht werden die Dinge jetzt wieder normal.«
    Shed kaufte eine Hütte in der Nähe der Einfriedung. Er stattete seine Mutter mit drei Bedien- steten aus. Es war eine Erleichterung, ihren bösen blinden Blick nicht mehr auf sich zu spü- ren.
Jeden Tag hatte er Arbeiter in der Lilie. Sie störten das Geschäft, aber das Geschäft blieb dennoch gut. Im Hafen herrschte geschäftiges Treiben. Jeder, der Arbeit wollte, fand auch

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