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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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le. Mit der linken Hand umklammerte er das Amulett. Warum brauchten sie so lange? Er hämmerte wieder drauflos. Erschreckend plötzlich sprang das Tor auf. Er floh zu seinem Wagen und trieb die Maultiere an. Er ging genauso vor, wie Raven es getan hatte, ignorierte alles andere bis auf die Fahrt. Er blieb am selben Platz stehen, stieg ab, zerrte Wally von der Pritsche herunter. Einige Minuten lang ließ sich niemand sehen. Er wurde immer nervöser und wünschte sich, daß er daran ge- dacht hätte, bewaffnet herzukommen. Welche Garantie hatte er denn, daß sie sich nicht gegen ihn wandten? Dieses blöde Amulett?
Etwas regte sich. Er japste auf.
Das Geschöpf, das aus den Schatten hervortrat, war kleinwüchsig und breit gebaut und strahlte eine Aura der Verachtung aus. Es sah ihn nicht ein einziges Mal an. Seine Unter- suchung des Kadavers war gründlich. Es machte Schwierigkeiten wie ein kleiner Beamter, der für kurze Zeit einen hilflosen Bürger in seiner Gewalt hat. Shed wußte, wie man damit umzu- gehen hatte. Sture Geduld und Entschlossenheit, sich nicht reizen zu lassen. Er blieb reglos stehen und wartete ab.
Schließlich legte das Wesen fünfundzwanzig Silberstücke vor Wallys Füße.
    Shed verzog das Gesicht, aber er nahm das Geld. Er kletterte wieder auf den Bock, setzte
den Wagen zurück, drehte das Gespann zum Tor herum. Erst dann ließ er seinen Protest laut werden. »Das war eine erstklassige Leiche. Beim nächsten Mal zahlt ihr mehr, oder es gibt keine weitere Lieferung. Vorwärts.« Zum Tor hinaus fuhr er und staunte über seine eigene Kühnheit.
Während der Fahrt den Hügel hinunter sang er. Er fühlte sich großartig. Von einem verblas- senden Schuldgefühl wegen Wally einmal abgesehen – der Schweinehund hatte es schließlich verdient – war er mit der Welt zufrieden. Er war frei und sicher, hatte keine Schulden und hatte jetzt auch noch Geld auf der hohen Kante. Er brachte das Gespann zum Stall zurück, weckte den Stallmeister auf, bezahlte vier Monate im voraus. »Kümmere dich gut um meine Tiere«, ermahnte er ihn.
    Am nächsten Tag tauchte ein Abgesandter des Bezirksmagistrats auf. Er stellte Fragen wegen Wallys Verschwinden. Sal hatte von dem Streit berichtet. Shed gab es zu. »Ich habe ihm die Scheiße aus dem Balg gedroschen. Aber ich weiß nicht, was danach mit ihm geschehen ist. Er ist einfach verduftet. Ich wäre auch abgehauen, wenn jemand auf mich so sauer gewesen wäre.« »Worum ging es bei dem Streit?«
Shed spielte die Rolle eines Mannes, der niemandem Ärger machen will. Endlich räumte er ein: »Er hat für mich gearbeitet. Er hat mich bestohlen, um Geld zurückzuzahlen, das er sich geborgt hatte, um Spielschulden zu bezahlen. Prüft das bei meinen Lieferanten nach. Sie wer- den Euch sagen, daß er auf Kredit bei ihnen eingekauft hat. Mir sagte er, daß er sie bar bezahlt hätte.«
»Um wieviel ging es dabei?«
»Das kann ich nicht genau sagen«, gab Shed zur Antwort. »Mehr als fünfzig Leva. Mein ge- samter Gewinn vom Sommer und einiges noch dazu.« Der Verhörbeamte stieß einen Pfiff aus. »Ich mache es dir nicht zum Vorwurf, daß du wü- tend geworden bist.«
»Ja. Ich hätte es ihm ja nicht mißgönnt, wenn es für seine Familie gewesen wäre. Er hat eine ganze Brut, um die er sich kümmern muß. Aber es zu verspielen… Verflucht, ich war so sau- er. Ich hatte mir Geld geliehen, um diesen Laden auf Vordermann zu bringen. Die Zahlungen sind ein ganz schöner Brocken. Wahrscheinlich schaffe ich es jetzt nicht durch den Winter, weil dieser Schweinehund einem Spiel nicht aus dem Wege gehen konnte. Ich könnte ihm immer noch den Hals umdrehen.«
Es war ein gutes Schauspiel. Shed war überzeugend. »Willst du eine formelle Anklage erheben?« Shed zierte sich. »Er gehört zur Familie. Er ist mein Vetter. « »Ich würde meinem eigenen Vater das Kreuz brechen, wenn er mir das antäte.«
    »Ja. Stimmt. Ich erhebe Anklage. Aber hängt ihn nicht gleich auf. Vielleicht kann er es ab-
arbeiten oder so. Verdammt, vielleicht hat er noch etwas davon, das er zurückzahlen kann. Er hätte lügen können, was das Verlieren angeht. Er hat wegen vieler Sachen gelogen.« Shed schüttelte den Kopf. »Er hat immer wieder mal für uns gearbeitet, seit mein Vater den Laden geführt hat. Ich hätte nie gedacht, daß er so etwas tut.« »Du weißt ja, wie es ist. Man gerät zu tief in Schulden, und dann rücken die Geier näher, und dann macht man alles, um die eigene Haut zu retten. Über das

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