Nacht über Juniper
du ihm eines Tages begegnen. Du würdest ihn nicht mögen, das garantiere ich dir.« Ihm fiel die Kreatur wieder ein, und daß sie gesagt hatte, er solle bald wiederkommen. »Was ist mit Sue passiert?«
Shed versuchte aufzustehen. Seine Glieder waren schlaff. Er fiel auf seinen Stuhl zurück. »Ich bin betrunken. Betrunkener als ich dachte. Bin nicht mehr so recht in Form.« Lisa nickte ernst. »Ich hab sie geliebt. Ich hab sie wirklich geliebt. Sie hätte das niemals nich’ tun soll’n. Ich hätte sie wie ‘ne Königin behandelt. Wäre für sie in die Hölle gegangen. Bin ich ja auch beinah.« Er lachte leise. »Bin mit ihr… Hoppla.« »Würdest du das auch für mich tun, Meister Shed?« »Was?«
»Du versuchst mich doch ständig rumzukriegen. Was ist das wert?« Shed warf ihr einen lüsternen Blick zu. »Weiß ich nich’. Kann ich nich’ sagen, ehe ich’s nich’ ausprobiert hab.«
»Du hast ja gar nichts, was du mir geben kannst, Alter.« »Ich weiß aber, woher ich’s bekommen kann.« »Wo denn?«
Shed saß nur grinsend da, und ein dünner Speichelfaden rann aus einem Mundwinkel.
»Ich gebe auf. Du hast gewonnen. Komm schon. Ich bringe dich noch nach oben, bevor ich
nach Hause gehe.«
Der Aufstieg war ein Erlebnis. Shed hatte nur noch ein Schluck bis zur Bewußtlosigkeit ge- fehlt. Als sie in seinem Zimmer ankamen, ließ er sich der Länge nach auf sein Bett fallen. »Danke«, nuschelte er. »Was machs ‘u da?« »Du mußt dich doch ausziehen.«
»Kann sein.« Er tat nichts, um ihr zu helfen. »Was machs’u’n jetz’? Wieso grabbeis’ ‘u so an mir rum?«
»Du willst mich doch, oder nicht?« Einen Augenblick später war sie bei ihm im Bett und rieb ihren nackten Körper an ihm. Er war zu betrunken, um die Situation ausnutzen zu kön- nen. Er hielt sie fest, wurde rührselig und breitete sich über sein schweres Los aus. Sie spielte mit.
NEUNUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Juniper: Die Belohnung
Shed setzte sich so plötzlich auf, daß er mit dem Kopf wackelte. Ein Trommelwirbel setzte darin ein. Er wälzte sich zum Bettrand und übergab sich lautstark. Und dann wurde ihm aus anderer Ursache übel. Aus Entsetzen.
»Ich habe es ihr gesagt. Ich habe ihr die ganze verdammte Geschichte erzählt.« Er versuchte aus dem Bett zu springen. Er mußte aus Juniper verschwinden, bevor die Inquisitoren kamen. Er hatte Gold. Ein Kapitän aus dem Ausland würde ihn vielleicht nach Süden bringen. Er konnte Raven und Asa einholen… Er sackte auf seiner Bettstatt zusammen. Ihm war zu elend, als daß er jetzt etwas tun konnte. »Ich sterbe«, murmelte er. »Wenn es eine Hölle gibt, dann muß sie so etwas wie das hier sein.«
Hatte er ihr tatsächlich alles gesagt? Anscheinend ja. Und für nichts. Er hatte nichts dafür bekommen. »Marron Shed, du bist der geborene Verlierer. Wann wirst du es lernen?« Vorsichtig stand er ein zweites Mal auf und durchstöberte sein geheimes Versteck. Das Gold war noch da. Vielleicht hatte er ihr doch nicht alles gesagt. Er dachte an das Amulett. Lisa konnte den gleichen Weg gehen, den Sue vor ihr gegangen war. Wenn sie es noch niemandem gesagt hatte. Aber sie würde auf der Hut sein, oder? Sie in einem unachtsamen Augenblick zu erwischen, würde gar nicht so einfach sein. Selbst wenn man annahm, daß er sie aufspüren konnte.
»Mein Kopf! Oh ihr Götter! Ich kann nicht nachdenken.« Unten erhob sich plötzlich Lärm. »Verdammt«, brummte er. »Sie hat den Laden nicht abgeschlossen. Sie werden alles ausrauben.« Tränen rollten ihm über die Wangen. Daß es so mit ihm enden mußte. Vielleicht waren es Bullock und seine Schläger, die da unten diesen Radau machten. Am besten stellte er sich seinem Schicksal. Fluchend zwängte er sich in seine Kleidung und begann die lange Reise in den Schankraum. »Guten Morgen, Meister Shed«, rief Lisa fröhlich. »Was willst du zum Frühstück?« Er starrte, schluckte, stolperte schließlich zu einem Tisch, setzte sich, stützte den Kopf in die Hände und achtete nicht auf die erheiterten Blicke eines seiner Gefährten des Abenteuers mit Gilbert.
»Ein bißchen verkatert, Meister Shed?« fragte Lisa. »Ja.« Seine Stimme dröhnte ihm wie Donner in den Ohren. »Ich mische dir etwas zurecht, das ich von meinem Vater abgeschaut habe. Er war ein Mei- stersäufer.«
Shed nickte schwach. Sogar das tat weh. Lisas Vater war einer der Gründe, weswegen er sie
eingestellt hatte. Sie brauchte alle Unterstützung, die sie bekommen konnte. Ein weiterer sei-
ner
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