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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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verschwinden. Das war beschlossene Sache.
Was war mit der Schwarzen Burg? Hatte er ihr von dem Amulett erzählt? Er wußte es nicht mehr. Er mußte auf die Existenz eines bestimmten Zugangsschlüssels hinweisen, sonst ver- suchte sie vielleicht, ihn zu töten und zu verkaufen. Sobald sie ihren Plan durchgeführt hatte, würde er eine Gefahr für sie bedeuten. Ja. Ganz sicher. Sie würde ihn loswerden wollen, so- bald sie eine Verbindung mit den Wesen in der Burg hergestellt hatte. Also mußte noch je- mand auf seine Liste der Unbedingt Noch Umzubringenden gesetzt werden. Verdammt. Raven hatte das einzig Kluge getan, das einzig Mögliche. Hatte den einzigen Ausweg gefunden und genutzt. Die Flucht aus Juniper war der einzige Ausweg. »Werde ihm folgen müssen«, brummte er zu sich. »Es gibt keine andere Wahl.« »Was?«
»Ich führe bloß Selbstgespräche, Mädchen. Du hast gewonnen. Also kümmern wir uns um Gilbert.«
»Gut. Bleib nüchtern und steh morgen früh auf. Du mußt auf die Lilie achten, und ich muß noch etwas herausfinden.«
»In Ordnung.«
»Wird sowieso Zeit, daß du dich hier mal wieder nützlich machst.« »Da hast du wohl recht.«
Lisa musterte ihn argwöhnisch. »Gute Nacht, Meister Shed.«
    Lisa berichtete Shed: »Es ist alles vorbereitet. Er kommt heute nacht zu mir. Allein. Bring deinen Wagen mit. Ich sorge dafür, daß mein Vater nicht da ist.« »Soweit ich weiß, geht Gilbert nie ohne einen Leibwächter irgendwohin.« »Heute nacht doch. Er soll mir zehn Leva dafür zahlen, daß ich ihm dabei helfe, die Lilie £u bekommen. Ich hab durchblicken lasen, daß er noch etwas anderes kriegen wird.« Sheds Magen knurrte. »Und wenn er etwas merkt?« »Wir sind zu zweit, und er ist allein. Wie hat ein Schisser wie du eigentlich all das geschafft, was du fertiggekriegt hast?«
Er hatte die geringere Angst überwunden. Aber diesen Gedanken behielt er für sich. Es war nicht sinnvoll, Lisa noch mehr Schwächen zu zeigen, als sie ohnehin schon kannte. Es war an der Zeit, ihre Schwächen zu finden. »Hast du denn eigentlich vor gar nichts Angst, Kind?«
    »Vor Armut. Besonders davor, alt und arm zu sein. Ich kriege das kalte Zittern, wenn ich se-
he, wie die Wächter irgendeinen armen alten toten Teufel aus einer Gasse holen.« »Ja. Das kann ich verstehen.« Shed lächelte schwach. Es war immerhin ein Anfang.
    Shed hielt den Wagen an und warf einen kurzen Blick auf das Fenster einer Erdgeschoßwoh- nung an der Rückseite des Gebäudes. Dort war keine brennende Kerze zu sehen. Lisa war noch nicht da. Er schnalzte mit den Zügeln und fuhr weiter. Gilbert hatte vielleicht Kund- schafter ausgeschickt. Er war nicht dumm. Shed bog um eine Kurve in der Seitengasse und kam als angeblicher Betrunkener zurückge- taumelt. Nach kurzer Zeit entzündete jemand eine Kerze im Fenster. Mit hämmerndem Her- zen schlich Shed sich zur Hintertür.
Sie war unverschlossen. Wie versprochen. Vielleicht war Gilbert doch dumm. Leise glitt er hinein. Sein Magen war ein verknotetes Knäuel. Seine Hände zitterten. Ein Schrei lag in sei- ner Kehle bereit.
Das war nicht der Marron Shed, der gegen Krage und seine Bande gekämpft hatte. Jener Shed hatte in der Falle gesessen und um sein Leben gekämpft. Er hatte nicht die Zeit gehabt, sich in Panik hineinzugrübeln. Dieser Shed hier tat das. Er war überzeugt davon, daß er alles verpatzen würde.
Die Wohnung bestand aus zwei winzigen Räumen. Der erste, hinter der Tür, war dunkel und leer. Shed ging vorsichtig hindurch und näherte sich einem ausgefransten Vorhang. Hinter der Tür war eine murmelnde Männerstimme zu hören. Shed spähte hindurch. Gilbert hatte sich ausgezogen und stützte sich mit einem Knie auf das durchgelegene Bett. Darin lag Lisa, die sich die Decke bis zum Kinn hochgezogen hatte und vorgab, es sich gera- de anders zu überlegen. Gilberts verwelkter, runzeliger, von blauen Adern durchzogener Kör- per stand in bizarrem Gegensatz zu ihrer Jugend. Gilbert war wütend.
Shed fluchte stumm. Er wünschte, daß Lisa mit diesen Spielchen aufhören würde. Sie mußte immer noch etwas mehr anstellen, anstatt einfach geradewegs auf ihr Ziel loszugehen. Immer mußte sie dabei ein bißchen manipulieren, nur um irgend etwas in sich zufriedenzu- stellen.
Er wollte es hinter sich bringen.
Lisa tat, als gäbe sie nach, und machte neben sich Platz für Gilbert. Es war geplant, daß Shed zuschlug, sobald Lisa Gilbert mit Armen und Beinen festhielt. Er beschloß, sein eigenes

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