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Nacht unter Tag

Nacht unter Tag

Titel: Nacht unter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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ja nicht so, als hätten wir dieses Geld für nichts ausgegeben. Gut, vielleicht ergeben sich daraus mehr Fragen als Antworten. Allerdings haben wir zumindest eine Leiche vorzuweisen. Und wissen Sie, Sir, wir reden ja immer davon, dass es unsere Aufgabe sei, für die Toten einzutreten und Gerechtigkeit für Menschen einzufordern, die das selbst nicht können. Wenn Sie es so betrachten, ist dies eine Gelegenheit, zu helfen.«
    Lees spürte, wie in seinem Kopf etwas ausrastete. »Eine Gelegenheit? Auf welchem Planeten leben Sie denn? Es ist ein verdammter Alptraum. Sie sollen alle Mittel darauf konzentrieren, herauszufinden, wer Catriona Grant umgebracht hat und was mit ihrem Sohn geschehen ist, nicht in einem Vermisstenfall von 1984 herumwursteln. Was soll ich Sir Broderick sagen? ›Wir werden uns um Ihre Familie kümmern, wenn Inspector Pirie in der rechten Stimmung dafür ist.‹ Sie glauben wohl, Sie können einfach machen, was Sie wollen«, rief er wütend. »Sie gehen mit der Dampfwalze über die Vorschriften weg. Sie folgen Ihren Ahnungen, als beruhten sie auf mehr als der Intuition einer Frau. Sie … Sie …«
    »Vorsicht, Sir. Sie nähern sich hier sexistischen Äußerungen«, warnte Karen freundlich mit großen Augen, aus denen geheuchelte Unschuld sprach. »Auch Männer haben Intuition. Nur nennen sie sie Logik. Sehen Sie doch das Gute an der Situation. Wenn es Mick Prentice ist, haben wir schon jede Menge Informationen über die Ereignisse zu der Zeit seines Verschwindens beisammen. Wir haben einen Vorsprung bei den Ermittlungen zu diesem Mord. Und es ist ja nicht so, als ließen wir den Fall Grant links liegen. Ich arbeite sehr eng mit der italienischen Polizei zusammen, aber diese Dinge brauchen ihre Zeit. Wenn ich nach Italien fahren würde, könnte das die Sache natürlich beschleunigen …?«
    »Sie fahren nirgendwohin. Wenn das alles vorbei ist, werden Sie vielleicht nicht einmal mehr …« Das Klingeln des Telefons übertönte das Ende seiner Drohung. Er nahm ab. »Ich dachte, ich hätte gesagt, keine Störung, Emma? … Ja, ich weiß, wer Dr.Wilde ist …« Er seufzte unwirsch. »Gut. Schicken Sie sie rein.« Er legte vorsichtig auf und sah Karen an. »Wir werden noch über die Sache sprechen. Aber Dr.Wilde ist hier. Lassen Sie uns sehen, was sie zu sagen hat.«
    Die Frau, die hereinkam, war ganz anders, als er erwartet hatte. Zunächst einmal sah sie wie eine Jugendliche aus, die noch einen Wachstumsschub vor sich hatte. Kaum größer als einen Meter fünfzig und so schlank wie ein Windhund. Das dunkle Haar war aus dem Gesicht zurückgebunden, das von großen grauen Augen und einem breiten Mund beherrscht wurde, was diese Ähnlichkeit noch unterstrich. Sie trug Arbeitsstiefel, Jeans und unter einer abgenutzten Wachsjacke ein an manchen Stellen sehr verblasstes, schon fast weißes Jeanshemd. Lees hatte noch nie jemanden gesehen, der weniger einer Akademikerin glich. Sie hielt ihm ihre schmale Hand hin und sagte: »Sie müssen Simon Lees sein. Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.«
    Er sah auf ihre Hand hinunter und stellte sich vor, wo sie überall schon gewesen war und welche Dinge sie berührt hatte. Aber er bemühte sich, nicht zurückzuschaudern, umfasste kurz ihre kühlen Finger und wies auf den zweiten Besucherstuhl. »Danke für Ihre Hilfe«, sagte er und versuchte, den Ärger über Karen für jetzt beiseitezuschieben.
    »Gern geschehen«, erwiderte River und klang, als meine sie es ernst. »Es ist eine wunderbare Gelegenheit für mich, mit meinen Studenten an einem wirklichen Fall zu arbeiten. Sie sammeln viel Erfahrung im Labor, aber das kann man nicht mit der wirklichen Arbeit vergleichen. Und sie haben ihre Sache sehr gut gemacht.«
    »So scheint es. Nun, ich nehme an, Sie sind gekommen, weil Sie etwas zu berichten haben?« Er wusste, dass er so steif klang wie eine ihrer Leichen, aber nur so konnte er sich unter Kontrolle halten. River tauschte einen kurzen unergründlichen Blick mit Karen, und er spürte, dass seine Wut wieder hochkochte. »Oder brauchen Sie Zugriff auf weitere technische Hilfsmittel? Ist es das?«
    »Nein. Wir haben, was wir brauchen. Ich wollte nur DI Pirie auf den neuesten Stand bringen, und als DS Parhatka mir sagte, sie sei in einer Besprechung mit Ihnen, dachte ich, ich könnte Sie bei der Gelegenheit kennenlernen. Ich hoffe, ich störe nicht?« River beugte sich vor und schenkte ihm ein Lächeln, das ihn an Julia Roberts erinnerte. Es war

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