Nacht unter Woelfen
Zirkus. Wenn uns nicht schnellstens was einfällt, dann landen wir heute Abend in San Francisco.« Bob klopfte auf die Bodenbretter. »Diese hier lassen sich nicht so einfach weghebeln«, stellte er fest. »Und während der Fahrt können wir nicht abspringen. Die Wagen würden uns überrollen.« Die Lage schien hoffnungslos. Entmutigt setzten sie sich neben die Kisten. »Hätten wir jetzt bloß ein Handy«, wünschte sich Peter. »Wir würden einfach Kommissar Reynolds anrufen und drei Minuten später wären wir draußen.« »Meinst du, der würde uns nach den ganzen Blamagen auch nur ein Wort glauben?«, erwiderte Bob und schüttelte den Kopf. Von vorne dröhnte plötzlich laute Musik und Justus blickte durch die Ritzen. »Wir fahren jetzt
die Straße zum Marktplatz hoch. Ich seh am Straßenrand lauter Menschen, die den Wagen zuwinken. Vielleicht hört uns einer, wenn wir gegen die Wände trommeln und laut rufen?« Sie suchten sich ein paar harte Gegenstände und schlugen verzweifelt gegen die Tür. »He, hört uns einer? Wir sind hier drin gefangen.« »Hallo!« Doch egal, wie laut sie schrien, die ohrenbetäubende Musik übertönte alles.
Zirkusparade
Der Umzug war mittlerweile am Marktplatz angekommen und drehte eine Ehrenrunde. Von außen hörte man die Menschen jubeln und applau-dieren. Justus lief nervös in dem Wagen auf und ab. Plötzlich fiel sein Blick auf einen großen Gegenstand, der mit einer Plane verdeckt war. »Moment mal, wisst ihr, was darunter sein könnte? Ich wette, das ist die Kanone, mit der sie den kleinen Mann durch die Luft geschossen haben.« Mit einem Ruck zog er die Plane weg. Er hatte mit seiner Vermutung Recht. Peter war nicht sonderlich an dieser Entdeckung interessiert. »Na prima, willst du uns damit alle durch die Decke jagen? Ohne mich.« Justus schien nicht auf ihn zu hören, sondern untersuchte aufgeregt den Apparat. »Ich habe bei den Vorstellungen genau zugesehen. Es gibt hier an der Seite einen kleinen Hebel, mit dem die Kanone ausgelöst wird. Kommt, helft mir mal mit, das Ding in die Mitte zu schieben!« Zögernd halfen sie ihm. »Nun sag schon, Just, was hast du vor?«, fragte jetzt Bob. Justus nahm den Koffer mit den Blüten und hob ihn in die Luft. »Wir müssen irgendwie auf uns aufmerksam machen. Und womit macht man das am besten? Mit Geld.« Peter und Bob sahen ihn verständnislos an. »Versteht ihr denn nicht? Wir stopfen die Kohle in die Kanone und schießen die ganze Ladung durch die Holzdecke vom Wagen. Die Leute in Rocky Beach werden durchdrehen, wenn es Geld vom Himmel regnet. Dann wird garantiert die Polizei eingreifen und die Sache untersuchen. Das ist unsere einzige Chance.« Jetzt waren seine beiden Freunde begeistert von seiner Idee. Eilig nahmen sie die Geldbündel und schoben sie in das lange Kanonenrohr. Obendrauf packte Peter auch noch eine schwere kleine Kiste. »Damit das Ganze auch durch die Decke hier
kracht«, erklärte er. Anschließend drehten sie das Kanonenrohr senk-recht nach oben. Justus stellte sich neben den kleinen Hebel und holte tief Luft. »Okay, es geht los. Geht lieber in Deckung, ich fange mit dem Countdown an. Fünf, vier, drei, zwei, eins und Feuer frei!« Mit Schwung drückte er den Hebel nach unten und ein lauter Knall ließ die Luft erzittern. Krachend schlug die Kiste durch die Decke des Wagens, zersplitterte das Holz und wie eine Wolke schossen hunderte von Geldscheinen durch die Luft. Draußen hörten die drei die Menge aufschreien. »Nun guckt euch das an!«, rief Peter, als er durch die Ritze guckte. »Die rennen wie wahnsinnig den Scheinen hinterher. Das sieht tatsächlich aus wie ein Geldregen. Millionen über Rocky Beach. Irre.« Justus und Bob stellten sich neben ihn. Sie konnten erkennen, wie sich die Menschen bündelweise Banknoten in die Taschen und unter die Hemden steckten. Von allen Seiten strömten unaufhörlich Leute herbei und stürzten sich jubelnd in die Menge. Einige schmissen sich auf den Boden, um die flatternden Scheine festzuhalten. Andere rissen ihrem Nebenmann das Geld brutal aus den Händen. »Wie die Tiere«, bemerkte Bob. Der Marktplatz war mittlerweile so hoffnungslos überfüllt, dass für die Zirkuswagen kein Durch kommen mehr war. Immer langsamer fuhren die Traktoren, bis sie schließlich ganz zum Halten gezwungen wurden. Dann mischten sich Polizeisirenen in das Geschrei. »Na endlich«, freute sich Justus.
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