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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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blasse, tote Schlangen.
    Die muss ich unbedingt mitnehmen …
    Auf dem Boden vor dem Bett lag das Kondom, das mich an eine kleine, an den Strand gespülte und jämmerlich verendete Qualle erinnerte.
    Das muss ich unbedingt beseitigen …
    Aber ich konnte es nicht. Im Augenblick konnte ich überhaupt nichts.
    Ich schaffte es gerade noch, das Wasserglas auf den Nachttisch zu stellen, ins Bett zu kriechen und meinen Kopf im Kissen zu vergraben.

    Ciao, Bello
    Ich schlief wie ein Stein, und als ich wieder aufwachte, war mein Kopfweh fast vorbei.
    Ich lag immer noch auf dem Bauch in Murphys Bett, so, als hätte ich mich während meines Nickerchens überhaupt nicht bewegt.
    Dafür hatte das ich Kissen vollgesabbert, und das Laken unter mir war schweißgetränkt.
    Ich sehnte mich nach einer Dusche, aber angesichts der Tatsache, dass Murphy tot in der Badewanne lag, schlug ich mir den Gedanken schnell wieder aus dem Kopf.
    Ich hatte ihn umgebracht.
    Ich hatte es nicht gewollt, aber das war egal. Murphy war tot, so oder so.
    Und ich lag steif wie eine Barbiepuppe auf seinem Bett.
    Wenn jetzt jemand kommt?
    Ich muss sofort von hier verschwinden.
    Ächzend rollte ich mich an den Rand der Matratze und stand auf.
    Mein Körper fühlte sich zerschlagen an und alle Glieder taten mir weh, aber wenigstens waren die Kopfschmerzen jetzt nicht mehr so schlimm.
    Ich konnte wieder denken.
    Ich konnte, aber ich tat es nicht.
    Zumindest eine Zeit lang nicht.
    Stattdessen blieb ich am Rand des Bettes sitzen, ließ den Kopf hängen und stützte die Ellenbogen auf die Oberschenkel.
    Ein wenig ähnelte ich schon wieder Rodins Denker, aber eigentlich hätte die Fertige besser gepasst.
    Ich musste endlich meinen Hintern bewegen, jede Spur meiner Anwesenheit in Murphys Wohnung tilgen und dann nach Hause fahren. Aber ich schaffte es einfach nicht anzufangen.

    Wozu das Ganze?
    Es kam mir so vor, als ob nichts mehr eine Bedeutung hätte.
    Warum nicht einfach hierbleiben?
    Früher oder später würde jemand kommen, mich und Murphy finden und die Polizei holen.
    Na und?
    Wieso gehe ich nicht gleich selbst ans Telefon und rufe die Bullen an? Ich könnte ein umfassendes Geständnis ablegen und der ganzen Sache ein Ende bereiten.
    Aber auch das hätte mich viel zu viel Energie gekostet.
    Also blieb ich einfach auf dem Bett sitzen.
    Irgendwann stand ich dann doch auf, weil ich pinkeln musste. Mit zusammengebissenen Zähnen erhob ich mich und stellte fest, dass ich nicht mehr gerade stehen konnte. So ging ich leicht nach vorne gebeugt ins Bad, wo ich auf dem nassen Boden ausrutschte, aber zum Glück nicht hinfiel. Indem ich stur auf die Kacheln vor meinen Füßen starrte, schaffte ich es, zur Toilettenschüssel zu gelangen, ohne den toten Murphy ansehen zu müssen.
    Als ich dann aber draufsaß, ließ es sich nicht mehr vermeiden.
    Selbst wenn ich den Blick senkte, sah ich aus dem Augenwinkel Murphys blassen Rumpf und seine über den Wannenrand hängenden Beine. Und sein Gesicht. Es sah mich über sein linkes Knie hinweg an.
    Schließlich schaute ich ihn direkt an. Seine Augen waren geöffnet, aber sie blickten ins Leere.
    Irgendwie hatte das, was da in der Wanne lag, nichts mehr mit Murphy zu tun. Das Ding sah ihm zwar ziemlich ähnlich, aber es hätte genauso gut eine Puppe aus einem Wachsfigurenkabinett sein können, die jemand während meines Nickerchens in die Wanne gelegt hatte.
    Eine Puppe, an der irgendetwas nicht stimmte.
    Und das war gut so, schätze ich. Ich hätte es einfach nicht ertragen, wenn mein Murphy da in der Wanne gelegen hätte.

    Aber er war es nicht.
    Ich drückte die Klospülung, stand auf und trat an die Wanne.
    Ich überlegte, was ich mit der Leiche machen sollte.
    Lass sie doch einfach so liegen.
    Klar. Es ging ja auch gar nicht anders. Ich hatte weder die Kraft noch
    das
    Bedürfnis,
    sie
    herauszuheben
    und
    irgendwo
    hinzuschleppen.
    Was wäre damit schon gewonnen?
    Hätte es einen zwingenden Grund dafür gegeben, hätte ich es vielleicht versucht.
    Von den damit verbundenen Schwierigkeiten und Risiken einmal ganz abgesehen, hätte ich den Toten natürlich in die Tiefgarage von Judys Wohnhaus, in Tonys Wohnung oder auch in den Wald bringen können. Aber warum? Wie konnte diese Leiche in eine logische Beziehung zu den anderen gebracht werden?
    Ich wusste es nicht.
    Wo auch immer man ihn findet, es wird nur noch mehr Verwirrung stiften.
    Außer, man findet ihn hier, dann sieht es wie ein Unfall aus. Er wollte sich duschen, ist

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