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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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hässliche Geräusch, das ich kurz vor meinem Sturz gehört hatte, und daran, wie seltsam schlaff er in der Wanne gelegen hatte.
    »Murph?«, wiederholte ich. »Sag doch was.«
    Nichts.
    »Bist du tot?«
    Nichts.
    »Mein Gott«, murmelte ich.
    Dann begann ich zu weinen.
    Ein Ratschlag für Sie: Fangen Sie nie an zu heulen, wenn Sie grauenhafte Kopfschmerzen haben. Das Schluchzen richtet irgendwas im Schädel an. Wahrscheinlich erhöht es den Innendruck oder so, jedenfalls fühlte sich mein Kopf an, als würde eine Horde Affen darin herumspringen und an meinem Hirn herumkauen.
    Ich riss meine Perücke vom Kopf und warf sie beiseite. Das half ein wenig, aber nicht viel.
    Ich presste die Hände gegen die Schläfen.
    Dann kapierte ich, dass ich aufstehen musste. So lange meine Beine noch oben in der Wanne hingen, floss das Blut daraus in meinen Kopf und erzeugte dort diesen fürchterlichen Druck. Ich zog die Beine an. Unterschenkel und Füße waren taub, aber ich schaffte es, sie aus der Wanne zu ziehen.
    Dann stieß ich mich ab und rutschte auf dem Rücken über die vom Wasserstoffperoxyd feuchten Fliesen. An meiner rechten Schulter spürte ich Murphys nasse’ Badehose, und mit dem Hinterkopf stieß ich gegen die umgefallene Flasche, die scheppernd ein Stück weit über die Fliesen rollte.
    Heulend blieb ich liegen und hielt mir mit beiden Händen den schmerzenden Kopf. Ich wusste, dass ich eigentlich fliehen müsste.
    Aber ich konnte es nicht.
    Auf einmal war mir alles egal.
    Ich fühlte mich zu mies, um mich für irgendwas zu interessieren.
    Ich hatte Murphy umgebracht.
    Und mir selbst dabei fast einen Schädelbruch zugezogen.
    Wieso eigentlich fast? Vielleicht ist er ja wirklich gebrochen.
    Mit den Fingern tastete ich vorsichtig meinen Hinterkopf ab.
    Meine Haare waren nass. Vom Blut? Aber ich entdeckt keine klaffende Wunde, aus der Blut und Hirnmasse quollen, nur eine Beule am Hinterkopf, so groß wie ein Golfball.
    Meine Haare waren nass, aber nicht blutig. Wahrscheinlich hatte ich unter der Perücke fürchterlich geschwitzt.
    Nach einer Weile gelang es mir, mich auf den Bauch zu rollen und auf allen vieren ins Wohnzimmer zu kriechen.
    Dort plapperte gerade ein CNN‐Reporter aufgeregt von einer Fähre, die in irgendeinem Dritte‐Welt‐Land untergegangen war.
    Na und?, dachte ich. Ich hatte meine eigenen Sorgen.
    Weil mir das Gebrabbel im Kopf wehtat, musste ich einen Umweg zum Fernseher krabbeln und ihn ausschalten.
    Das war schon viel besser.
    Ich machte kehrt und kroch zum Tisch, zog mich hoch und starrte kniend eine Weile die Unordnung an.
    Ich suchte nach den Schmerztabletten und dem Wasserglas, aber was ich zuerst fand, war Murphys Buch, in das er mir die Widmung geschrieben hatte. Tote Augen

    Das wollte ich in dem Moment wirklich nicht sehen.
    Ich schaute schnell weg.
    Das Tablettenröhrchen lag neben dem Glas, das noch halb voll war.
    Mit zitternden Händen stopfte ich mir vier Tabletten in den Mund und spülte sie mit dem Wasser hinunter.
    Als das Glas leer war, hatte ich noch immer schrecklichen Durst.
    Mühsam rappelte ich mich auf und taumelte in die Küche. An der Spüle stürzte ich ein Glas kaltes Wasser in einem Zug hinunter, füllte es noch einmal, trank in kleinen Schlucken weiter und sah mich um.
    Murphys Küche schien ihm auch als Arbeitszimmer zu dienen, denn auf dem Tisch stand ein Computer, neben dem Papiere und ein Bücherstapel lagen. Ich meinte Murphy fast dort sitzen sehen zu können, wie er auf den Bildschirm starrte und sich gedankenverloren seinen Kopf rieb.
    Jetzt würde der arme Murphy keinen Krimis mehr schreiben.
    Ich fühlte mich immer elender und schaute auf die Uhr die über der Küchentür hing.
    Es war 13:25 Uhr.
    Früher Nachmittag. Ich hatte eigentlich gedacht, dass es viel später wäre.
    Was tun?
    Am liebsten hätte ich mich ins Bett gelegt und geschlafen. Die Kopfschmerzen weggeschlafen. Alles weggeschlafen. Und für eine Weile alles vergessen.
    In mein eigenes Bett kriechen und schlafen …
    Aber das ging nicht, ich konnte nicht einfach von hier fortgehen, denn die Wohnung war voller Indizien, die man gegen mich verwenden konnte.
    Ich musste aufräumen und putzen, alle Spuren restlos beseitigen.
    So, wie ich mich fühlte, kam es mir wie eine ungeheure, beinahe unmögliche Aufgabe vor.
    Ich füllte das Glas noch einmal und ging in Murphys Schlafzimmer.
    An den Bettpfosten hingen immer noch drei der Stricke, mit denen Murphy mich gefesselt hatte. Sie sahen aus wie

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