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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Handgelenke. »Einen Augenblick, bitte«, sagte sie.

    »Klar doch«, antwortete ich.
    Während sie versuchte, die Blutzirkulation in ihren Händen wieder in Gang zu bringen, schnitt ich ihr auch die Fußfesseln durch.
    »Danke«, sagte Judy und setzte sich auf, um auch ihre Fußknöchel zu massieren. »Und jetzt lass uns dieses blöde Kabel durchschneiden«, sagte sie schließlich und lächelte mich an.
    Wir knieten voreinander und sahen uns an.
    Ich hielt das Messer noch immer in meiner rechten Hand.
    »Was willst du denn damit?«, fragte Judy.
    »Nur für den Fall der Fälle.«
    Judy beugte sich vor, nahm mein Gesicht ganz sanft in ihre Hände und schaute mir tief in die Augen.
    Mein Gott, wie schön sie war!
    »Was für Freundinnen sind wir eigentlich, wenn du mich mit einem Messer bedrohen musst?«, fragte sie.
    »Du willst doch nicht wirklich mit mir abhauen«, sagte ich.
    »Doch, das will ich.«
    »Blödsinn«, sagte ich und schluckte schwer.
    »Vertrau mir, Alice.«
    »Das würde ich ja gerne«, antwortete ich. »Aber ich kann nicht.«
    »Natürlich kannst du. Du kannst voll und ganz auf mich zählen, und wir werden immer Freundinnen bleiben. Versprochen.«
    »Blödsinn«, wiederholte ich, während mir die Tränen in die Augen stiegen.
    Judy legte mir ihre Hände auf die Schultern. »Ab jetzt wirst du nie wieder einsam sein. Und ich auch nicht. Und wir waren beide so einsam … und so verletzt. Aber damit ist jetzt Schluss. Jetzt haben wir uns.« Sie beugte sich noch weiter vor und küsste mich zärtlich auf meine tränenfeuchten Augen und dann auf die Nasenspitze.
    Ich ließ das Messer fallen.
    Judy ließ einen Seufzer tiefster Erleichterung hören. »Danke«, flüsterte sie und beugte sich vor, um das Messer aufzuheben. Dann sagte sie mit einem seltsamen Lächeln auf ihren vom Feuer beschienenen Gesicht: »Jetzt habe ich die Waffe, und du bist gefesselt.«
    »Das stimmt«, sagte ich.
    Auf einmal machte sich ein eiskaltes Gefühl in meiner Magengrube breit.
    »Du hast mir also geglaubt?«, fragte sie. »Du bist wirklich davon überzeugt, dass du mir vertrauen kannst?«
    »Sieht ganz so aus«, erwiderte ich mit zittriger Stimme. Durch den Schleier meiner Tränen schaute ich in ihr wunderschönes, golden schimmerndes Gesicht.
    »Du hast wirklich geglaubt, dass ich deine beste Freundin sein möchte? Und dass ich mit dir abhauen will?«
    »Ja. Das heißt nein. Eher nicht. Aber … ich wollte es glauben. Und wie!«
    Dann heulte ich auf einmal los wie ein Kind mit gebrochenem Herzen und konnte nicht mehr aufhören.
    Auch dann nicht, als Judy das Messer wegwarf und meine Fesseln zu lösen begann.
    Ich heulte, als sie mich an sich zog, mich fest umarmte und mir übers Haar streichelte.
    Und als sie mir leise »Ist ja gut« ins Ohr flüsterte, heulte ich immer noch.

    Epilog
    Na, wie finden Sie das?
    Judy hatte es wirklich ernst gemeint!
    Als ich mich endlich beruhigt hatte und aufhören konnte zu weinen, merkte ich, dass ich so glücklich war wie noch nie zuvor in meinem Leben. Dreckig, fertig, zerkratzt und windelweich geschlagen … im siebten Himmel!
    Und hier endet eigentlich meine Geschichte.
    Irgendwo muss sie ja aufhören, oder nicht? Das hier ist ein guter Moment, denke ich: Die Bösen sind tot, Judy und ich sind in Sicherheit, und wir haben beschlossen, zusammen abzuhauen. Weit weg, ins Blaue hinein.
    Nur ein paar Dinge bleiben mir noch nachzutragen. Aber ich fasse mich kurz:

    Als ich endlich aufgehört hatte zu weinen, zog ich meinen Rock aus, und Judy und ich wischten uns damit beide, so gut es ging, das Blut und den sonstigen Dreck von der Haut.
    Dann holte ich Elroys Autoschlüssel aus der Tasche von Steves kurzer Hose.
    Als Nächstes verbuddelten wir seine Leiche, was ziemlich anstrengend war.
    Dann bauten wir das Zelt ab und löschten das Feuer.
    Nach längerer Suche fanden wir den Lieferwagen, warfen das Zelt und ein paar andere Kleinigkeiten (darunter eine erstaunliche und ziemlich grauenvolle Sammlung von Polaroidfotos, die wir im Zelt entdeckt hatten) auf die Ladefläche und fuhren zurück zu Serenas und Charlies Haus.
    Dort duschten wir uns rasch (was großartig war), und verarzteten einander notdürftig mit Pflastern und Mullbinden. Sie hätten uns sehen sollen – wir sahen fast wie zwei Mumien aus.
    Dann holten wir uns Shorts, Oberteile und Schuhe aus Serenas Schrank und zogen sie an.
    Als wir damit fertig waren, war es ungefähr ein Uhr früh, und die Nacht war noch lang. Also fuhr ich in

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