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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Geldbeutel war noch da, ebenso alle Schlüssel.
    Anscheinend hatte ich außer der Pistole nichts verloren.
    Ich wischte mir den Schweiß vom Gesicht tastete meine Schürfwunden und Prellungen ab und starrte angestrengt in den finsteren Wald.
    Da war nichts zu sehen.
    Ich hörte den Wind in den Bäumen, ich hörte Vögel, Grillen und undefinierbare Waldgeräusche. Aber keinen Schrei mehr.
    Okay, dachte ich. Was war da los?
    Der Schrei war eindeutig ein Angstschrei gewesen. Oder ein Schmerzensschrei. Oder beides.
    Aber war er auch echt gewesen?
    Es konnte auch sein, dass Judy versuchte, mich in eine Falle zu locken – eine tollkühne Idee angesichts der Tatsache, dass ich größer und stärker war und sie vorhin halb tot geschlagen hatte.
    Außerdem hatte ich eine Knarre. Ihre einzige Überlebenschance war eigentlich, sich von mir fernzuhalten.
    Aber man weiß ja nie genau, auf was für Ideen jemand kommt.
    Die Leute machen oft genug blöde und total verrückte Sachen.
    Besonders dann, wenn sie Angst haben. Vielleicht bildete sich Judy ein, sie könnte mich überlisten.
    Vielleicht hatte sie mir eine perfekte, gut ausgedachte Falle gestellt.
    Oder sie war wirklich in Gefahr.
    Wie auch immer, es blieb mir nichts anderes übrig als mich auf die Suche nach ihr zu begeben. Und sie endgültig umzubringen, falls mir nicht ein anderer die Arbeit abgenommen hatte.
    Zuvor aber musste ich meine Schuhe und vor allem die Pistole finden. Ohne sie würde ich nirgendwohin gehen.
    Weil ich keine Ahnung hatte, wo genau mir bei meinem Sturz die Pistole aus der Tasche gefallen war, begann ich, den Abhang nach ihr abzusuchen. Es gab nur wenige Bäume hier, und im Mondlicht konnte ich etliche dunkle Flecken im Gras erkennen. Zwei davon sahen so aus, als wären sie meine Schuhe, aber keiner ähnelte einer Pistole.
    Schritt für Schritt stieg ich mit weit nach vorn gebeugtem Oberkörper und nach unten hängenden Armen den Hang hinauf und tastete den Boden ab. Ich war müde, und meine Augen brannten vom Schweiß, der mir über Gesicht und Brust lief. Meine Haut juckte am ganzen Körper.
    Eigentlich hatte ich gedacht, dass sich die Suche nach der Pistole schwieriger gestalten würde als die nach den Schuhen, denn schließlich war sie kleiner und flacher und so schwer, dass sie tief ins Gras hatte sinken können.
    Aber ich fand die Pistole zuerst, keine fünf Meter hangaufwärts von der Stelle, an der ich gelegen hatte. In meiner seltsamen Haltung streifte ich sie mit den Fingerspitzen, noch bevor ich sie sah.
    Sie lag zwischen zwei dicken Grasbüscheln, und der Edelstahl schimmerte im Mondschein stumpfgrau wie schmutziger Schnee.
    Ich nahm die vom Tau feuchte Waffe an mich und rieb sie an der Vorderseite der abgeschnittenen Jeans trocken.
    Danach behielt ich sie in der Hand. Ich wollte sie nicht noch einmal verlieren.

    Ein paar Minuten später fand ich den ersten Schuh. Ich schlüpfte mit dem Fuß hinein und suchte den zweiten.
    »HILFE!«
    Diesmal erkannte ich Judys Stimme. Oder glaubte es zumindest.
    Genau so musste es klingen, wenn Judy um Hilfe schrie. Kläglich.
    Jämmerlich. Flehend.
    Sie befand sich in höchster Bedrängnis.
    Oder sie war eine begnadete Schauspielerin.
    Aber mein Bauch sagte mir, dass das nicht gespielt war.
    Und meine Haut ebenfalls. Trotz der Hitze, hatte ich auf Schenkeln, Bauch und Brüsten eine Gänsehaut bekommen. Die Härchen auf meinen Unterarmen stellten sich auf, Rücken und Nacken und Kopfhaut juckten noch mehr als zuvor, und meine Brustwarzen kribbelten und wurden hart.
    Das passiert mir nur, wenn es mich wirklich gruselt.
    Und Judys Hilfeschrei jagte mir einen höllischen Schreck ein.
    Etwas Schreckliches musste ihr zugestoßen sein.
    Oder jemand Schreckliches war ihr begegnet.
    Jemand, der noch schrecklicherer war als ich.
    Ich drehte mich vorsichtig um, um nicht auf dem nassen Gras auszurutschen, und starrte angestrengt in den Wald. Nichts war zu sehen.
    Judys erster Schrei hatte näher geklungen als der zweite. Rannte sie vor jemandem weg? Oder hatte er sie schon geschnappt und schleppte sie jetzt davon?
    Wenn er sie umbringt, prima.
    Trotzdem fühlte ich mich irgendjemand merkwürdig bei dem Gedanken, dass ein anderer sie tötete. Eigentlich war das meine Aufgabe.
    Und wer war es? Der Fremde, der in unserem Pool geschwommen war?
    Hektisch suchte ich nach dem zweiten Schuh. Ich hörte keine weiteren Schreie.

    Ist sie schon tot?
    Konnte sie entkommen?
    Das mag vielleicht seltsam klingen, aber beide

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