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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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gefunden.
    Ich ließ Judys Handtasche, wo sie war und wischte die Tür noch einmal gründlich von innen ab, bevor ich sie wieder schloss.
    Dasselbe tat ich mit den äußeren Türgriffen auf beiden Seiten. Der Boden des Parkplatzes war voller Laub und kleiner Zweige, und ich bezweifelte, dass man dort Fußspuren erkennen konnte. Nur um sicherzugehen, öffnete ich mit dem Hemd noch einmal die Beifahrertür. Im Schein der Innenbeleuchtung absolvierte ich probeweise ein paar Schritte und überzeugte mich davon, dass ich tatsächlich keine verwertbaren Spuren hinterließ.
    Dann steckte ich die Wagenschlüssel ein und machte mich auf den Rückweg zum unteren Picknickplatz.
    Judy muss noch irgendwo dort unten sein.
    Wahrscheinlich kriecht sie durch den Wald oder liegt bewusstlos in einem Gebüsch.
    Oder vielleicht beobachtet sie mich von irgendwoher.
    Als ich den Hang hinabstieg, trat ich aus Zufall auf den Schuh, den ich vorhin verloren hatte, und zog ihn wieder an. Ich schlüpfte in das immer noch nasse Hemd. Es klebte mir auf der Haut, und ich knöpfte es nicht zu, um Luft an meinen Körper zu lassen.
    Beim nächsten Schritt glitt mein linker Fuß im nassen Gras aus, und wenn ich nicht in letzter Sekunde das Gleichgewicht wiedergefunden hätte, wäre ich hingefallen.
    Das war knapp, dachte ich. Wenn ich auf einen Felsen geknallt wäre und mir den Hinterkopf angeschlagen hätte, wäre ich vielleicht bewusstlos geworden. Und dann hätte Judy sich an mich heranschleichen und mich massakrieren können. Oder mir die Autoschlüssel abnehmen und wegfahren. Glück gehabt …
    Und dann kam mir eine Idee.
    Was wäre eigentlich wirklich passiert, wenn Judy mitbekommen hätte, dass ich hingefallen und nicht wieder aufgestanden wäre?
    Hätte sie dann ihr Versteck verlassen?
    Gut möglich.
    Oder vielleicht hätte sie es für einen Trick gehalten.
    Ich ging ein paar Schritte weiter und tat dann so, als würde ich über einen Stein oder einen Ast stolpern. Ich stieß einen lauten Schrei aus und ließ mich, nachdem ich wild mit den Armen wedelnd noch ein paar Schritte herumgetaumelt war, vornüber auf den Boden fallen.
    Ich wollte, dass es realistisch aussah.
    Und es war realistisch.
    Ich schlug mit der linken Schulter auf einen großen Stein und purzelte dann, mich mehrmals überschlagend, den Abhang hinunter.
    Unten angekommen, lag ich da wie vorhin Judy, nachdem ich ihr in den Kopf geschossen hatte.
    Von dem Sturz taten mir alle Knochen weh, und außerdem hatte ich dabei beide Schuhe verloren.
    Und die Pistole!
    In meiner rechten Jeanstasche, wo sie eigentlich hätte sein müssen, war auf einmal eine schreckliche Leere.

    Super Idee, das mit dem Sturz!
    Was jetzt?
    Ich hatte zwei Optionen. Entweder blies ich mein Täuschungsmanöver ab, stand auf und suchte die Pistole, oder ich blieb liegen und spielte die Bewusstlose.
    Ohne die Waffe fühlte ich mich zwar verwundbar, aber mit Judy wurde ich wohl auch so fertig werden.
    Bleib einfach zehn bis fünfzehn Minuten liegen, sagte ich mir, und warte ab, was passiert.
    Vielleicht war es ja nur Zeitverschwendung.
    Aber das wäre die Suche nach Judy im stockdunklen Wald möglicherweise auch. Wenn sie ein gutes Versteck gefunden hatte und keinen Lärm machte, standen meine Chancen, sie zu finden, ziemlich schlecht, falls ich nicht aus Zufall über sie stolperte.
    Wenn ich liegen blieb, konnte ich mich außerdem eine Weile ausruhen.
    Aber pass auf, dass du nicht einschläfst, ermahnte ich mich.
    Diese Gefahr war allerdings gering, denn trotz meiner körperlichen Erschöpfung war ich überhaupt nicht müde. Dazu war ich viel zu angespannt, und außerdem tat mir mein Körper an mindestens einem Dutzend Stellen scheußlich weh und juckte obendrein noch ganz gemein.
    Wie gerne hätte ich mich gekratzt.
    Aber das konnte ich nicht tun, für den Fall dass Judy mich beobachtete.
    Also blieb ich eine Weile liegen und rührte mich nicht, bis ich aus der Ferne eine Frauenstimme »Nein!« schreien hörte.

    Schreie in der Nacht
    Das musste Judy sein. Oder doch jemand anderes?
    Aber wer denn? Die Stimme kam genau aus der Richtung, die Judy höchstwahrscheinlich eingeschlagen hatte, wenn sie tiefer in den Wald hinein geflohen war.
    Wenn es Judy war, die geschrien hatte, dann war sie garantiert zu weit weg, um mitbekommen zu haben, wie ich die Böschung hinuntergestürzt war. Mein schmerzhafter Sturz war also völlig sinnlos gewesen. Ich stand auf und überprüfte als Erstes meine Hosentaschen.
    Tonys

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