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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Varianten gefielen mir nicht.
    Endlich fand ich den Schuh. Ich schlüpfte hinein, machte kehrt und stieg vorsichtig den Abhang hinunter, der steiler und rutschiger war, als ich gedacht hatte.
    Unten angekommen, lief ich, so schnell ich konnte, zu dem Picknicktisch. Ich blieb stehen und lauschte. Außer meinen eigenen Herzschlag und meinem schweren Atem war nichts zu hören.
    Was macht dieses perverse Schwein mit ihr?
    Ich dachte an das, was er an der Glastür von Serenas Wohnzimmer gemacht hatte.
    Vielleicht ist er es ja gar nicht.
    Ich rannte um den Tisch herum hinunter zum Bach und setzte mich ins kniehohe Wasser, was gar nicht so einfach ist, wenn man in einer Hand eine Pistole hält. Aber ich schaffte es, ohne dass die Waffe nass wurde.
    Natürlich weiß ich, dass ein paar Tropfen Wasser der Munition nicht schaden, egal, was manche Autoren von Kriminalromanen auch schreiben (die meisten haben ebenso wenig Ahnung von Schusswaffen wie die Drehbuchautoren für Film und Fernsehen). Ich hielt die Pistole trocken, weil ich nicht wollte, dass der Lauf voller Wasser lief. Bei manchen Knarren kann so etwas zu einem Rohkrepierer führen und das ist selbst bei einer kleinen Zweiundzwanziger nicht gerade angenehm.
    (Das wollte ich nur klarstellen. Ich möchte nicht, dass Sie als Leser glauben, ich sei auch so eine Idiotin, die keine Ahnung von Waffen hat.)
    Okay.
    Da saß ich also im Bach und hielt meine Pistole über den Kopf, während ich mich ausruhte und abkühlte. Das Wasser war so angenehm, dass ich mit der linken Hand hineingriff und ein paar Schlucke trank.
    Da saß ich nun. Und wollte nicht mehr aufstehen.
    Die Strömung fühlte sich gut an, und das Wasser schmeckte herrlich frisch und nach Wald.
    Aber ich vergeudete Zeit.
    Ich hatte Angst, aufzustehen.
    Der hohe Wald rechts von mir war so dicht, dass keinerlei Mondlicht sein Blätterdach durchdrang. Dort musste ich hinein. Ins Reich der Finsternis. Dort war Judy.
    Und dort war auch das Schreckliche, der Schreckliche, wegen dem sie geschrien hatte.
    Ich wollte dort nicht hinein.
    In meinem Bach fühlte ich mich sicher, und auch von links drohte mir keine Gefahr. Dort stand der Picknicktisch, auf dem Judy gelegen hatte und den ich durch die Baumstämme hindurch undeutlich erahnen konnte. Dort ging es zum Parkplatz, auf dem Judys Auto stand und zur Straße, die aus dem Wald hinausführte.
    Ich konnte mit dem Auto wegfahren, es irgendwo in der Stadt abstellen und zu Fuß nach Hause gehen.
    Das hätte ich am liebsten getan.
    All dem Wahnsinn hier ein Ende bereitet. Der Angst und der Müdigkeit und den Schmerzen. Heimgehen, mich in meinem schönen Zimmer über der Garage einschließen und vielleicht nie mehr herauskommen.
    Ich wollte mich in Sicherheit bringen.
    Und Judy für immer vergessen.
    Was ihr passiert ist, könnte auch mir passieren.
    Ich beugte mich vornüber und steckte den Kopf ins Wasser.
    Hätte mir jemand zugeschaut, hätte er nur noch einen einsamen Arm mit einer Pistole gesehen, der aus dem Wasser ragte. Die kleine Meerjungfrau mit ihrer Automatik. Gott, wie blöd.
    Ich habe eine Knarre, verdammt! Wovor fürchte ich mich eigentlich?

    Ich hielt den Kopf noch eine Weile unter Wasser, bis meine Lungen nicht mehr mitspielten und ich auftauchen musste. Dann stand ich mühsam auf und stapfte ans Ufer. Mein Hemd hing tropfnass an meinem Körper wie die Haut eines Fremden, und die Jeans war so vollgesaugt und schwer, dass sie mir fast von den Hüften gerutscht wäre.
    Ich fröstelte. Egal, wie warm es auch ist, wenn man aus dem Wasser steigt, fröstelt man immer. Außerdem zitterte ich noch immer vor Angst.
    Die Pistole gab mir zwar die Kraft, weiterzugehen, aber meine Furcht konnte sie nicht vertreiben.
    Auch mit ihr war ich noch immer verwundbar.
    Und außerdem war es nur eine kleine Zweiundzwanziger.
    Weil ich noch nie ins Magazin geschaut hatte, wusste ich nicht, wie viel Schuss ich noch übrig hatte. Wenn so ein Magazin voll ist, fasst es vielleicht acht bis zehn Patronen, und eine davon war schon weg.
    Ich hätte das Magazin herausziehen und nachschauen können, aber dazu hätte ich die Waffe entladen müssen. Das wollte ich nicht riskieren, denn in der Dunkelheit konnte man leicht eine Patrone verlieren und würde sie dann nie wieder finden. Und wenn mich dann jemand angriff, hatte ich genau einen Schuss im Lauf und die restlichen Patronen in der Hand.
    Ist sowieso egal Wenn sie alle sind, sind sie eben alle.
    Lassen wir uns überraschen.
    Um mein

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