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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Handtasche lag noch immer unter dem Sitz, aber ich rührte sie nicht an.
    Nachdem ich das Tor wieder heruntergefahren hatte, verließ ich die Garage durch den Seiteneingang, schloss ab und ging zur Treppe, die hinauf zu meinem Zimmer führte.
    Auf einmal fühlte ich mich hundemüde.
    Am liebsten wäre ich einfach hinaufgegangen. Ich wollte nur noch duschen, mich in mein Bett legen und viele, viele Stunden nicht mehr aufwachen.
    Aber vorher hatte ich noch eine Menge zu erledigen.
    Da war zum Beispiel der Säbel.
    Ich fand ihn in Tonys Hosenbein eingewickelt im Gebüsch vor dem Haus. Ich ging zur Haustür, sperrte sie auf und legte den Säbel in der Diele auf den Boden.
    Dann ging ich wieder nach draußen und sah mich um. Der Himmel wurde allmählich heller. Das erste, blasse Licht des Tages war nicht gerade die beste Beleuchtung für die Suche nach belastenden Spuren, deshalb würde ich später am Tag alles noch einmal abgehen müssen. Trotzdem war es nötig, mich vorab schon einmal davon zu überzeugen, dass nichts Schlimmes auf dem Rasen lag.
    Ein abgetrennter Finger vielleicht.
    Oder ein Ohr?
    Was auch immer.
    Zuerst suchte ich die Einfahrt zwischen Haus und Straße ab, und als ich dort nichts fand, ging ich hinaus auf die Straße selbst.
    Alles sah gut aus.
    Zurück im Garten wanderte ich mit gesenktem Kopf ein paarmal auf dem Rasen hin und her, wo ich auch prompt Überreste von Tony fand. Es war nichts Spektakuläres, nur ein Fetzen Haut, ein paar Muskelfasern, so was in der Art. Nichts, was man auf den ersten Blick als Leichenteile erkannt hätte, aber liegen lassen wollte ich die Sachen auch nicht. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.
    Weil in der linken Vordertasche nur das Halstuch und das Taschentuch steckten, stopfte ich meine Fundstücke, die ich aus verständlichen Gründen nicht die ganze Zeit in der Hand tragen wollte, noch mit dazu. Das matschige Zeug fühlte sich in etwa so an wie rohes Hühnerklein. Der Gedanke, dass es nur durch den dünnen, nassen Stoff der Hose von meinem Oberschenkel getrennt war, gefiel mir nicht. Ich versuchte mir einzureden, dass es nicht besonders schlimm sei, mit rohem Hühnerklein in der Hosentasche herumzulaufen, aber es half nichts, denn ich wusste schließlich ganz genau, das es in Wirklichkeit zu Tony gehörte.
    Das Ganze war eine wirklich ekelhafte Angelegenheit.
    Ich kam mir dabei fast ein wenig vor wie eine weibliche Ausgabe von Milo.
    Das Zeug in der Tasche machte mir so zu schaffen, dass ich mich nicht mehr richtig auf meine Suche konzentrieren konnte. Ich beschloss daher, erst mal aufzuhören und später noch einen zweiten Rundgang zu machen.
    Bevor ich ins Haus zurückging, setzte ich mich auf die Stufen vor der Veranda und untersuchte meine nackten Fußsohlen. Sie waren nass und voller Grashalme und Blätter, aber es klebte kein Blut daran. Ich zog Tonys Hemd aus und wischte damit meine Füße ab.
    Ich knipste das Licht in der Küche an und überprüfte, ob auch alle Vorhänge geschlossen waren. Das schmutzige Hemd hängte ich über eine Stuhllehne, dann ging ich zur Spüle und holte die Fetzen von Tony aus der Hosentasche. Sie waren feucht und schleimig, und es krabbelten auch ein paar Ameisen daran herum. Ich stopfte das ganze Zeug in den elektrischen Abfallzerkleinerer in der Spüle, schaltete ihn an und schredderte Tony zu Mus.

    Danach wusch ich mir die Hände und ging mit dem Hemd in den Waschraum neben der Küche.
    Dort steckte ich das Hemd in die Waschmaschine, zog den Gürtel aus der Jeans und stopfte auch sie in die Trommel, jetzt suchte ich meinen nackten Körper nach Ameisen ab, fand aber keine, obwohl es mich überall juckte. Nachdem ich auch das Taschentuch und das Halstuch in die Maschine gesteckt hatte, gab ich Waschpulver in die Kammer und ging hinaus in die Diele, wo ich den Säbel hingelegt hatte.
    Ich zog ihn aus dem Jeansbein, steckte den Stoff ebenfalls in die Maschine und schaltete sie an.
    Als Nächstes ging ich zurück in die Küche und schrubbte den Säbel, obwohl er eigentlich ziemlich sauber aussah, gründlich mit Spülmittel ab. Dabei legte ich mein Augenmerk besonders auf die Stelle, wo die Klinge im Griff verschwand. Falls die Polizei Verdacht schöpfte und ihn zerlegte, sollte auch dort kein Blut mehr zu finden sein.
    Eigentlich putzte ich den Säbel aber nicht für die Polizei, sondern für Charlie und die kleine Debbie, die ihn hin und wieder von der Wand nahmen, um General Custer oder Peter Pan oder was auch immer damit

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