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Nachtauge

Nachtauge

Titel: Nachtauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Partner war gekommen, um die Spionin zu befreien. Er wisperte: »Nachtauge ist nicht hier. Aber ich kann Sie hinführen.«
    »O doch, Nachtauge ist hier«, sagte eine weibliche Stimme. »Geben Sie mir den Kopfhörer und tun Sie genau, was ich Ihnen sage.«
    Am Ende der Startbahn flammte ein grünes Scheinwerferlicht auf. Die nächste Maschine röhrte los. Eric sah zu, wie der schwere Bomber das Rollfeld hinaufdonnerte, er brauchte lange wegen des Gewichts, bis er sich endlich in die Luft erhob, die gewaltige Stahltonne unter seinen Bauch geschnallt.
    Wenn Nachtauges Partner den Flughafen im Blick behielt, würde er spätestens jetzt wissen, dass es höchste Zeit war für eine Warnung an die Deutschen. Entweder funkte er in dieser Nacht, oder seine Erkenntnisse über die Operation Chastise waren nutzlos, weil das Desaster bereits über Deutschland hereingebrochen war.
    Hoffentlich war Sprigings aufmerksam. Der Funker quasselte so viel von anderen Dingen, von Frauen oder Rumbledethumps mit Cheddar-Käse oder diesem seltsamen Kugelspiel. Er war nicht bei der Sache. Besser, man sah ihm von Zeit zu Zeit auf die Finger.
    Eric betrat das Hauptgebäude und durchquerte den Flur. Im Gehen betastete er die Wundpflaster an seinem Hals. Sie juckten, er wollte sie am liebsten runterreißen, aber dann würde es wieder bluten. Als er gerade die Abstellkammer betreten wollte, die man Sprigings am Nachmittag zugewiesen hatte, hörte er eine weibliche Stimme, die Deutsch sprach. Besonders gut war sein Deutsch nie gewesen, da waren die MI 5-Agenten im Verhörzentrum in Latchmere House besser ausgebildet, die ständig mit den Doppelagenten zu tun hatten. Aber er verstand etwas von »Nachricht« und »dringend«. Dann hörte er einen Namen, mit einer Selbstsicherheit ausgesprochen, als wäre es der Name der Königin persönlich: »Nachtauge.«
    Kein weiteres Wort durfte sie sagen! Er zog den Revolver und stieß die Tür auf. Im Zwielicht des Raums riss Nachtauge Sprigings hoch und richtete ihrerseits eine Pistole auf ihn. Wo hatte sie die her? Eine Enfield, sie musste sie den Wachsoldaten … O Gott, das Blut an ihrer Kleidung …
    Aus dem Kopfhörer knarzte eine Stimme: »Nachtauge, sprechen Sie.«
    Er dachte: Sie ist reaktionsschneller als ich, sie würde es schaffen, abzudrücken und gleichzeitig hinter Sprigings abzutauchen, sodass mein Schuss sie nicht trifft. Warum schießt sie nicht?
    Der Schuss würde zu hören sein, sie würde hier nicht lebend wegkommen. Draußen heulten Motoren auf, ein neues Flugzeug setzte an zu starten. Sie wartet auf das Dröhnen, dachte er, wenn das Flugzeug eine höhere Geschwindigkeit erreicht.
    Er dachte an Connie und an Tony, wie er mit der Kindergasmaske spielte, wie er sie sich ans Gesicht presste und ruckartig so viel Luft ausstieß, dass die Gummiränder der Maske einen Furz von sich gaben, und wie er sich vor Lachen darüber ausschüttete. Ich sehe sie nie wieder, dachte er.
    Diesmal würde er nicht mit dem Leben davonkommen. Wieder hatte sie die Situation im Griff. Auch Sprigings begriff das. In seinen Augen saß die nackte Angst, sie waren weit aufgerissen.
    Sie weiß, dass ich nicht den Mumm habe, abzudrücken und selbst dabei zu sterben, dachte er. Ich muss etwas tun, womit sie nicht rechnet.
    Das Dröhnen draußen wurde lauter.
    Er schoss und ließ sich fallen. Hinter ihm schlug fast zeitgleich Nachtauges Kugel in die Tür und zerfetzte das Holz. Sprigings stöhnte. Hatte er den Kollegen getroffen? Er schoss vom Boden aus noch einmal und ein drittes Mal.
    Nachtauge fiel auf den Stuhl, dann rutschte sie zu Boden. Er kroch zu ihr und nahm ihr die Waffe aus der Hand. Die Lippen bebten, er versuchte zu hören, was sie sagte, aber das Pfeifen in seinen Ohren vom Knall der Pistolen war zu laut. Er neigte den Kopf über ihr Gesicht.
    Sie röchelte: »England … verrecke.«
    Aus den Kopfhörern knarzte die Stimme: »Nachtauge?«
    Er sah sich nach Sprigings um. Der Funker stand neben dem Stuhl, offenbar unverletzt, und starrte nieder auf die Deutsche.
    »Nachtauge, sprechen Sie«, tönte es aus dem Kopfhörer.
    Nachtauge würde nie wieder sprechen. Ihr Blick brach. Er hatte viele Tote gesehen in den letzten Jahren. Bei Nachtauge war es anders. Er hatte sie erschossen, und jetzt breitete sich eine Blutlache um den Körper der zierlichen Frau aus. Sie war von seiner Hand gestorben, und obwohl er sie gehasst hatte, tat sie ihm plötzlich leid.
    »Das hätte kräftig danebengehen können«, sagte Spri

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