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Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Titel: Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz
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beeilte ich mich zu sagen und stand auf.
    »Soll ich Sie ein Stück mitnehmen?« Goldstein lächelte mich erstaunlicherweise an. »Soweit ich mich erinnere, stand draußen kein Auto.«
    »Richtig beobachtet, Herr Kommissar. Ich fahre gern mit«, sagte ich und lächelte zurück.
    Als ich auf ihn zuging, sah er mir etwas zu lange in die Augen.
    »Ich habe seltsame Augen. Das haben Sie doch gerade gedacht, nicht wahr?« fragte ich.
    »Ungewöhnlich, aber sehr schön«, sagte Goldstein beeindruckend souverän und griff nach seinem Mantel.
    Nachdem wir uns vom Professor verabschiedet hatten, gingen wir zusammen hinaus. Es war ein warmer Sommerabend. Goldstein öffnete das Verdeck seines Wagens und fuhr los.
    »Wohin darf ich Sie bringen, Ludmilla?« fragte er.
    »Wo fahren Sie denn hin, Herr Kommissar?«
    »Nennen Sie mich Michael«, sagte er. »Ich fahre stadteinwärts und werde wohl noch diesem Polder einen Besuch abstatten. Ich verspreche mir nicht allzu viel davon. Aber irgendwo muss ich ja anfangen.«
    »Ich würde Sie gern begleiten, Michael«, sagte ich.
    Goldstein sah mich erstaunt an.
    »Warum?«
    »Nun, ich möchte gern wissen, wie jemand aussieht, der sich für einen Vampir hält.«
    Das war noch nicht einmal gelogen.
    »Das geht nicht, Ludmilla.«
    »Ach, kommen Sie«, sagte ich und lächelte ihn an. »Ich werde meinen Mund halten, und außerdem kann ich Ihnen ja vielleicht sogar Hinweise geben. Oder kennen Sie all die geheimen Abzeichen, die solche Leute tragen und die auf mögliche Querverbindungen zu anderen Gruppierungen hinweisen?«
    Ich hoffte, er würde mich nicht weiter nach solchen Abzeichen fragen. Ich kannte nicht eines, ja ich wusste noch nicht einmal, ob es sie überhaupt gab.
    Aber Goldstein lächelte nur und sagte: »Okay. Sie haben gewonnen.«
    Gegen 21 Uhr kamen wir am Haus des sogenannten Herrn Alucard an. Er wohnte in einer heruntergekommenen Mietskaserne. Goldstein klingelte. Nach einer halben Minute tönte eine scheppernde Stimme aus einem Lautsprecher neben dem Eingang. »Ja, bitte?«
    »Polizei«, sagte Goldstein. »Ich habe ein paar Fragen an Herrn Polder.«
    Seine Stimme klang jetzt ganz anders. Viel härter, unnachgiebiger.
    »Moment«, bellte der Lautsprecher.
    Ein Summer ertönte. Wir drückten die Tür auf und betraten das Treppenhaus.
    »Dritter Stock«, erscholl es von oben.
    Schließlich standen wir vor Mark Polder, genannt Alucard, dem Vorsitzenden der »Jünger Draculas«. Er war allerhöchstens dreißig Jahre alt, sehr schlank, etwa einsneunzig groß, und er wirkte ungepflegt. Seine Augen waren trübe. Er hatte offenbar Drogen genommen. Polder stand in der halbgeöffneten Tür und versperrte uns die Sicht nach innen.
    »Hat uns wieder jemand wegen Tierquälerei angezeigt?« fragte er gelangweilt.
    »Eigentlich habe ich an Sie und Ihre Freunde vorerst nur ein paar Fragen«, sagte Goldstein.
    »Hören Sie«, sagte Polder mit träger Stimme. »Heute Abend geht es nicht. Ich habe Besuch. Und einen Durchsuchungsbefehl sehe ich nirgends. Rufen Sie mich an, dann machen wir einen Termin.«
    Dann wollte er die Tür zuknallen. Aber Goldstein stellte blitzschnell seinen Fuß dazwischen und stieß die Tür mit ganzer Kraft wieder auf. Polder flog zurück in den Flur.
    »Sie haben soeben einen Polizisten angegriffen«, sagte Goldstein mit ruhiger Stimme. »Das gibt Ärger.«
    Polder rappelte sich auf. »Ich? Sie angegriffen? Sie haben…«
    »Schnauze«, sagte Goldstein. »Guck dir meinen Schuh an. Du hast mir den Schuh versaut mit deiner Scheißtür. Also, hör zu. Morgen um zehn Uhr will ich dich im Präsidium sehen. Und dann erinnerst du dich gut, was du in den letzten Wochen so getan hast und wer das bezeugen kann, verstanden?«
    Dann drehte sich Goldstein um und ging die Treppen hinunter. Ich spürte seine mühsam unterdrückte Wut. Sie strahlte von seinem Körper ab wie Hitzewellen. Ich erschauerte.
    Draußen vor der Tür blieb er stehen. »Vielleicht ist das ein Spinner«, sagte er. »Aber ich werde ihn und seine dämlichen Jünger beschatten lassen.«
    »Ich habe das Gefühl, da ss Sie hier nicht viel weiter kommen, Michael«, sagte ich. »Das ist doch bloß ein zugekiffter Penner, der am Wochenende mit ein paar Freaks den Gruftie-King spielt.«
    »Mag sein, da ss Sie recht haben. Aber ich gehe jeder Spur in diesem Fall nach. Jeder.«
    Dann blickte er kurz in den wolkenlosen Nachthimmel, drehte sich plötzlich zu mir um, lächelte und fragte: »Wollen wir noch zusammen irgendwo

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