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Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Titel: Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz
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als Schwingungen spüren.
    Pia wollte mich ständig mit auf ihre Raubzüge nehmen. Weil ich immer noch Skrupel hatte, einigten wir uns darauf, uns wenigstens an Fieslinge wie Zuhälter oder andere Mistkerle zu halten, wenn wir zusammen auf die Jagd gingen.
    »Wenn du dich dann besser fühlst«, sagte Pia achselzuckend und durchstreifte mit mir die verrufenen Gegenden der Stadt. Pia und ich gaben uns gern als junge Drogensüchtige aus, die dringend Geld brauchten. Doch in Wahrheit waren wir zwei blutige Schwestern des Todes, die mit dem Leben der Menschen spielten. Und ich fand langsam Gefallen daran. Ich hasste sie, die bulligen, brutalen Kerle mit ihren Rolex-Uhren, die Frauen wie Ware für den Schlachthof behandelten und sie häufig mit Gewalt gefügig machten. Und so lernten einige dieser Männer das Gefühl kennen, wie es ist, Frischfleisch für Stärkere zu sein.
    Ich arbeitete auch weiterhin im Club. Pia kam häufiger vorbei, und Grant war jedes Mal völlig aus dem Häuschen. Er schien sich in sie verguckt zu haben, machte aber keine Anstalten, sich ihr irgendwie zu nähern. Später erzählte Pia mir, dass sie absichtlich gedankliche Impulse in seine Richtung gesendet hatte, die ihn trotz seiner offenkundigen Zuneigung dran hinderten, die Initiative zu ergreifen. Pia wollte keines ihrer Spielchen mit ihm machen, weil sie wusste, dass er mein Freund war.
    Mein Verhältnis zu Linda kühlte leider etwas ab. Sie registrierte schnell, da ss mich und Pia etwas Besonderes verband, das sie nicht verstand. Grant merkte nichts dergleichen. Er war vor allem froh, wenn ich da war und mich um die Gäste kümmerte. Je unwirscher und unzugänglicher Carl wurde, desto wichtiger war ich für den Club. Carls Arbeit beschränkte sich mittlerweile fast nur noch auf den organisatorischen Bereich.
    Aber so wohl ich mich auch mit Pia fühlte – Michael Goldstein gab ich nicht auf. Mindestens ein Abend in der Woche gehörte ganz ihm. Und wenn es ging, traf ich ihn auch regelmäßig an den späten Nachmittagen. Wir klammerten uns aneinander mit verzweifelter Intensität, so als ob wir beide wü ssten, dass uns nicht viel Zeit blieb. Michael hatte sich weitgehend mit meinem Schweigen abgefunden. Vielleicht war er auch so nachgiebig, weil der Termin seiner Scheidung immer näher rückte. Unsere Beziehung fand im Hier und Jetzt statt, eine Vergangenheit gab es nicht. Natürlich versuchte er immer wieder, mir irgend etwas zu entlocken. Er machte Andeutungen und gab mir Signale, dass ich ihm alles anvertrauen könne.
    »Ludmilla«, sagte er einmal, als wir zusammen waren. »Vergi ss, dass ich Polizist bin. Wenn es um dich geht, zählt das nicht mehr.«
    Ich umarmte ihn und sagte nichts. Es tat weh, ihn immer wieder zu enttäuschen. Dennoch bewies ich ihm mein Vertrauen auf andere Weise. Eines Abends nahm ich ihn das erste Mal mit in meine Wohnung.
    »Außer dem Professor weiß niemand, dass ich hier wohne«, erklärte ich ihm. »Auch wenn es albern klingt, Michael. Aber für mich ist es sehr wichtig, ein Nest zu haben, das kaum jemand kennt.«
    »Warum, Ludmilla? Wovor hast du Angst?«
    »Vor Dingen, die du nicht verstehst, Michael. Bitte, lass mich. Es ist etwas Besonderes, dass du hier bist, glaube mir.«
    Ich war ihm dankbar, da ss er nicht weiter fragte.
    Wir trafen uns häufiger in meiner Wohnung und verbrachten wunderbare Abende und Nächte miteinander. Dennoch lebten wir zwei verschiedene Leben. Ich spürte: Er wollte mehr. Mehr Nähe, mehr Zeit, mehr Zweisamkeit, eine gemeinsame Zukunft. Aber ich ließ keinen Zweifel aufkommen, da ss ich mir unser Verhältnis nur so und nicht anders vorstellen konnte. Um so heftiger stürzte Michael sich in seine Arbeit, versuchte Serges mysteriösen Tod und den Mord in »Grants Club« aufzuklären und ermittelte weiter in der geheimnisvollen Mordserie, die uns zusammengebracht hatte. Polder und seine durchgeknallten Jungs hatten sich natürlich als totale Sackgasse erwiesen.
    »Weißt du,« sagte er eines Abend. »Es scheint, als hätte der Killer beschlossen, kürzer zu treten. Wir haben jetzt längere Zeit keine blutleeren Leichen mehr gefunden. Zuletzt diesen vermi ssten Jungen, der mit einer jungen Frau gesehen wurde. Wir haben ihn und seinen Wagen aus dem Fluss gezogen. Keine Spuren. Und die Beschreibung der Frau ist mehr als dürftig. Ich glaube außerdem nicht, dass so ein junges Ding unser Mörder ist. Das passt einfach nicht.«
    Er sah aus dem Fenster.
    »Vielleicht gibt der Killer jetzt

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