Nachtblauer Tod
nur was nachgucken für die Schule. Erdkunde, über Lebensformen in der Wüste.« Sie verdrehte demonstrativ die Augen.
Er lachte. »Hast du immer noch bei dieser Ökotante Erdkunde?«
»Tja«, stöhnte Johanna.
Er reckte sich und versuchte, die steif gewordene Muskulatur zu lockern. Seine Augen sagten Johanna, dass er Stunden vor dem Laptop verbracht hatte.
»Okay. Ich mach ’n Spaziergang. Aber sei bitte vorsichtig. Leon hat mir alles durcheinandergebracht. Den ganzen Mist von seinen Hackerangriffen auf Jörg Parks habe ich immer noch nicht vollständig gelöscht. Ich habe mir vorsichtshalber zwei neue Antivirenprogramme runtergeladen. Jetzt scanne ich die Kiste erst einmal, um das Schlimmste zu verhindern. Ich befürchte nämlich, der hat völlig unkontrolliert Daten gespeichert. Der Junge hat uns alle auf vielen Ebenen in Schwierigkeiten gebracht.«
»Ich habe ihn immer für einen Arsch gehalten.«
»Ich weiß. Wenn es nach dir gegangen wäre …«
»Wäre er nie hier eingezogen.«
Maik zog seinen USB-Stick aus dem Laptop, ließ ihn in seine Tasche gleiten und gab den Platz am Computer für Johanna frei.
Sie wartete noch, bis sie die Haustür zuknallen hörte und sicher sein konnte, dass er die Wohnung verlassen hatte.
Sie wusste nicht genau, wonach sie suchen musste. Sie rief Fotodateien auf. Da waren viele Bilder, die sie kannte. Bens Geburtstag. Die Torte mit den Herzen. Maik und ihre Mutter mit Sektkelchen und Küsschen.
Maik hatte keine verräterischen Fotos zwischen die Familienfotos gemischt.
Er ist ja nicht blöd, dachte sie, aber es gab eine Menge mit Codewort gesicherter Dateien. Sie konnte sehen, wie viel Speicherplatz sie einnahmen. Es konnte sich eigentlich nur um Filme oder Fotos handeln.
Sie versuchte, reinzukommen. Doch nach ein paar gescheiterten Versuchen hatte sie eine bessere Idee. Sein USB-Stick. Na klar. Er würde doch bestimmt die Fotos extern aufbewahren. Er führte sogar am Schlüsselbund ständig einen Stick mit sich. Er, der Securitymann, war Weltmeister im Sichern von Daten.
Gleichzeitig kam sie sich beim Betrachten der Familienfotos schäbig vor. Im Grunde war er doch ein guter Kerl, locker, fröhlich, und seit er bei ihnen wohnte, war ihre Mutter auch viel ausgeglichener, ja manchmal richtig glücklich.
Tue ich ihm hier einfach nur entsetzlich unrecht?, fragte sie sich.
Maik hatte inzwischen wieder einen Arbeitsplatz gefunden. Er fuhr – aushilfsweise – Taxi. Meistens nachts. Das brachte nicht viel ein, aber er klagte nicht. Im Grunde war er eine Frohnatur.
Die Reaktion von Leon auf Maiks neue Arbeitsstelle war eindeutig: Klar. Da hat er nachts Zeit für sein Hobby , smste Leon an Johanna.
Sekunden später rief Leon schon an. Er hielt sich nicht mit langen Vorreden auf. »Wir müssen nachts an ihm dran kleben wie Kaugummi am Schuh.«
»Das wird nicht leicht. Keiner von uns hat einen Führerschein. Geschweige denn ein Auto. Wie willst du ihm folgen? Mit dem Rad?«
»Nein. Ich zieh mir mein Supermankostüm an, und dann fliege ich durch die Lüfte hinter ihm her«, antwortete Leon.
»Ich kann Zynismus nicht leiden«, sagte Johanna hart.
Leon weihte sie in das Geheimnis vorsichtig ein. »Du hast dich doch sicher schon gefragt, wie ich ihn vor dem Haus von Frau Fels gefunden habe?«
»Jaaa …«, sagte Johanna zögerlich und musste sich eingestehen, dass sie sich genau diese Frage nicht gestellt hatte.
Er erklärte ihr, wo in Maiks Zimmer die Überwachungsgeräte lagerten.
»Du bist ein verdammt cleverer Hund. Schlägst ihn mit seinen eigenen Methoden«, lachte sie anerkennend.
Sie schaute sofort nach und fand alles, was sie brauchte. Sogar mehr als nötig.
»Ich bringe das an seiner Jacke an. Kein Problem. Wir werden sehr bald wieder über jeden seiner Schritte genau Bescheid wissen.«
52
Maik sah nicht nur, was Johanna in seinem Zimmer tat. Er hörte auch jedes Wort, das sie sprach.
»Na warte, du Luder. Ich krieg dich. Du willst mich mit meinen Waffen schlagen? Ich schlag dich mit meinen Waffen. Du Opfer, du. Ich fürchte, ich kann dich nicht am Leben lassen. Du würdest mich nur zu gern verraten. Leider wirst du sterben müssen, wie Frau Schwarz. Deinen sechzehnten Geburtstag wirst du nicht mehr erleben. Schade eigentlich. Ulla hat sogar schon das Geschenk gekauft. Die gute, vorsorgende Ulla. Wenn ich so eine Mutter gehabt hätte …«
Er war es gewöhnt, mit sich selbst zu reden. Er hatte es oft getan. Seine Gedanken konnte er schlecht einer
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