Nachtblind
Süden.«
Sie fuhren kreuz und quer durch die Straßen, nach Süden und Südwesten, kamen auf einer für den Durchgangsverkehr gesperrten Straße am Oak-Hill-Friedhof vorbei, und Jael machte spöttische Kommentare über seine Fahrweise, während Lucas ständig nach Blinklichtern von Streifenwagen Ausschau hielt und peinlich genau die Geschwindigkeitsbeschränkungen einhielt. »Reden Sie nicht so viel«, knurrte er, und sie lachte und sagte: »Mr. Tacho …«
Sie kamen schließlich zur I-694, aber bei der zweiten Ausfahrt bog Lucas bereits wieder ab und fuhr zu einem Einkaufszentrum, hielt vor einem Buchladen. »Und jetzt?«, fragte Jael.
»Wir gehen jetzt eine Stunde in den Buchladen, dann gehen wir was essen, und dann gehen wir noch ein bisschen zum Shopping. Ich muss mindestens zwei Stunden von den Straßen bleiben. Es gibt nicht sehr viele schwarze Porsches in der Gegend.«
»Und wenn sie uns trotzdem irgendwo aufstöbern?«
»Dann werde ich lügen wie ein Besenbinder.«
»Ich dachte immer, Cops hätten freie Fahrt auf unseren Straßen.«
»In Ausübung des Dienstes, ja, aber nicht, wenn sie für ein Mädchen eine große Show abziehen«, sagte Lucas. »Ich hoffe, Sie mögen Bücher.«
Sie mochte Bücher und verschwand in der Abteilung »Kunst«. Lucas ging in die Abteilung »Literatur«, blätterte oberflächlich in einigen Büchern herum, geriet in der Unterabteilung »Poesie« an die gesammelten Werke von Philip Larkin, mit denen er sich intensiver beschäftigte, und plötzlich schaute ihm Jael über die Schulter, wagte eine Vermutung zu seinem Lesestoff: » Waffen und Munition , nicht wahr?« Sie griff nach dem Gedichtband, den er gerade in der Hand hielt, betrachtete ihn, sah Lucas an. »Wieder mal eine Show für ein Mädchen, hmm?«
Er hob die Schultern. »Eigentlich nicht. Ich lese kaum einmal Romane, aber ich mag Gedichte.«
Sie schloss ein Auge, sah ihn prüfend an. »Sie lügen wie gedruckt.«
»Nein.«
»Einer der Cops in meinem Haus sagte mir, Sie hätten mal eine Firma für Computer-Software besessen.«
»Ja, aber die Umsetzung meiner Vorstellungen in Computer-Software hat ein Fachmann für mich gemacht«, sagte Lucas. »Ich hatte einfach nur die richtigen Ideen zum richtigen Zeitpunkt.«
»Darum geht es im Leben, nicht wahr? Die richtigen Ideen zum richtigen Zeitpunkt zu haben …« Sie blätterte in dem Larkin-Band. »Meinen Sie, die Gedichte würden mir gefallen?«
Er dachte einen Moment nach, sagte dann: »Nein. Larkin ist ein wenig zu männlich für Sie.«
»Wen sonst empfehlen Sie mir?«
»Emily Dickinson? Meine Lieblingsdichterin – wahrscheinlich die beste amerikanische Lyrikerin.«
»Schön, ich werde es mal mit ihr versuchen«, sagte sie. »Ansonsten habe ich nur das hier gefunden.« Sie hielt ein Buch hoch, dessen Titel lautete: Japanische Aschen-Glasuren .
»Auch ich bin zutiefst an Aschen aller Art interessiert«, sagte Lucas.
Sie gingen in ein Restaurant und aßen gesunde Bagels. Während des Essens blätterte Jael in den Dickinson-Bändchen, die sie sich gekauft hatte, schlug zum Schluss vor, noch einmal in die Buchhandlung zu gehen, damit sie sich noch ein paar Kriminalromane kaufen könne. »Wenn ich in Buchhandlungen gehe, komme ich immer mit Büchern über mein Arbeitsgebiet oder mit irgendwelcher ernsten Literatur wieder raus, aber wenn ich weiterhin in meinem Haus rumsitzen muss, brauche ich was Leichteres. Und Fernsehen hängt mir zum Hals raus.«
»Wenn Sie Krimis kaufen wollen, können wir das auf dem Rückweg erledigen. Ich kenne da einen Laden, in dem nichts als Krimis verkauft werden.«
»Klingt gut.« Sie leckte einen Klecks Tomatensaft von ihrem Daumen. »Wir müssen ja noch mehr Zeit totschlagen, nicht wahr?« Aber dann, im Wagen, fragte sie: »Sie haben doch in Ihrem Haus wahrscheinlich sowohl eine Dusche als auch eine Badewanne, nicht wahr? Oder sind Sie ein purer Dusch-Typ?«
»Nein, es ist beides vorhanden.«
»Da wir ja Zeit totschlagen müssen – warum fahren wir da nicht zu Ihrem Haus und hüpfen in die Badewanne? Es ist schon eine Weile her, dass mir jemand mal gründlich den Buckel geschrubbt hat.«
Sie hielten auf einer ansteigenden Straße vor einer Ampel. Lucas hatte den Fuß auf der Kupplung und ließ den Wagen ein Stück zurückrollen, dann wieder vor und wieder zurück, und er dachte über diesen Vorschlag nach. »Vielleicht brauche ich ein wenig mehr romantische Einstimmung«, sagte er schließlich. »Und außerdem
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