Nachtblind
lustige Maske kaufen …«
»Das Spiel gegen Iowa …«
»Ja. Virginia sprühte vor Leben. Wer hätte das gedacht?«
Sie redeten zwanzig Minuten über die guten alten Zeiten. Catrin erinnerte sich an alle Namen aus der kurzen Zeit, die sie zusammen gewesen waren, und die Gesichter tauchten auch in Lucas’ Erinnerung wieder auf, zusammen mit den Orten und Lauten, ja selbst den Gerüchen in diesen glorreichen alten Tagen: die Footballstadien der »Großen Zehn«, der Geruch nach Popcorn und aufgewühltem Dreck auf den Spielfeldern; die Eisstadien mit den Gerüchen nach Kälte, nasser Wolle, Schweiß und manchmal auch Blut; Dieselgestank der Busse; Cheerleader …
»Gott, ich wünschte, wir hätten schon früher Zeit gehabt, uns zu unterhalten«, sagte Lucas. »Was treibst du so heutzutage? Malst du noch?«
»Nein, nein, ich beschäftige mich mit Fotografieren. Das Malen habe ich eines Tages einfach aufgegeben. Mein Mann ist praktischer Arzt. Ich habe ihm bei den Büroarbeiten geholfen, als wir damals starteten.«
»Du hast mir heute Morgen bei unserer Begegnung gesagt, dass du einen Arzt geheiratet hast. Auf dem Weg hierher fiel mir dann wieder ein, dass Bill Washington mir damals erzählt hat, du wärst mit einem älteren Typ liiert …«
»Washington … Gott, an den habe ich ewig nicht mehr gedacht. Als ich ihn das letzte Mal sah, saßen wir irgendwo in Dinkytown auf einem Fußboden und kifften uns die Birne voll.«
»Du bist Fotografin? Sag mal, kennst du einen Profifotografen namens Amnon Plain? Er ist in den Alie’e-Maison-Fall verwickelt.«
»Tatsächlich? Ist er der Mörder?«
»Er sagt, er habe es nicht getan, und ich nehme ihm das zunächst mal ab … Aber er sagt, er sei Modefotograf, und ich dachte …«
»Jesus, er ist mehr als das. Er ist tatsächlich Modefotograf, hat als solcher seine Karriere begonnen. Aber er macht auch diese ganz erstaunlichen Fotos von der Prärie. So ähnlich wie Avedon – er ist hauptsächlich Modefotograf, macht aber auch diese großartigen Fotos mit anderen Motiven.«
»Avedon?«
»Du warst nie ein Intellektueller, nicht wahr?« Sie lachte.
»Mein Hauptfach an der Uni war Eishockey, um Himmels willen. Und nebenher noch ein bisschen Kriminalrecht.«
»Nun ja … Plain ist ein Fotograf der Spitzenklasse. Oder fast Spitzenklasse. Das bin ich natürlich nicht – ich muss mich ja vornehmlich um die Kinder kümmern. Ich versuche es jedenfalls – sie kommen langsam in das Alter, in dem sie nichts mehr von mir hören wollen. O Gott!«
»Was ist?«
»Mir ist gerade ein fürchterlicher Gedanke gekommen«, sagte sie.
»Welcher?«
»Meine Tochter geht bald zur Uni. Sie könnte an einen Typ wie Lucas Davenport geraten …«
»Heh, wäre das so schlimm?«
Sie lachte. »Du stehst immer mal wieder in der Zeitung. Manchmal kann ich es kaum glauben, verstehst du – du warst mal mein Freund . Und jetzt bist du irgendwie ein berühmter Mann.«
»Ja … Wie man so schön sagt: In Minneapolis ist er weltberühmt.« Pause, dann: »Darf ich dich zum Lunch einladen?«
Eine Pause auch am anderen Ende der Leitung. »Erzählst du mir dann alle internen Dinge über den Alie’e-Maison-Fall?«
»Ja, wenn du sie für dich behältst.«
Sie lachte wieder. »Okay. Wann?«
Catrin. Er hatte kaum aufgelegt, als er auch schon den Wunsch verspürte, sie wieder anzurufen.
Und was sollte er morgen anziehen? In welchem Stil? Echt cool und teuer, oder sollte er als harter Cop auftreten? Als sie sich damals kennen gelernt hatten, war er ein begeisterter Eishockeyspieler gewesen, aber sie hatte eingestanden, dass sie am Sport nicht besonders interessiert war – oder an Sportlern. Wenn sie zuschaute, hatte er auf dem Eis besonders kräftig zugelangt, war aber nach den Spielen auch oft mit Schnittwunden oder Schrammen im Gesicht zu ihr zurückgekommen, und sie war erstaunt und verwirrt, manchmal auch ein wenig amüsiert über seine Freude an Gewalttätigkeiten gewesen …
Catrins Anruf hatte seinen Adrenalinspiegel in die Höhe schnellen lassen. Er stemmte sich aus dem Sessel, drehte eine Runde im Büro, ging dann raus in den Flur. Frank Lester saß bei offener Bürotür weit zurückgelehnt in seinem Ledersessel hinter dem Schreibtisch; Cops kamen und gingen. »Gibt’s was Neues?«, fragte Lucas.
»Nein. Rose Marie macht mal wieder eine Pressekonferenz –wegen der Lesben-Sache.«
»Um Himmels willen, sagen Sie vor Fernsehkameras nie Lesben, schon gar nicht in diesem abfälligen
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