Nachtblind
Deal?«
Deal stand auf und trat an Lucas vorbei in den Gang. »Ja, Jean, hier bin ich.«
Die Frau kam auf die beiden zu, und Lucas sah sofort, dass sie außergewöhnlich attraktiv war. Ein kleines bisschen mollig, das aber an den richtigen Stellen. Sie hatte hellbraunes, von blonden Strähnen durchzogenes Haar, ein glattes Gesicht mit hellblauen Augen und einer leicht gebogenen Unterlippe, auf der sie nur einen Hauch Lippenstift aufgetragen hatte. Ihr Hosenanzug war so konservativ wie der der Empfangsdame, aber es gab einen Unterschied – der Ausschnitt der Jacke war tief genug, den Ansatz ihrer Brüste zu zeigen. Sie war, wie Lucas dachte, zugleich mütterlich und sexy.
»Ja?«, fragte sie.
»Bringen Sie diesen Bleistift doch bitte zu India am Empfang.« Deal übergab ihr einen gelben Bleistift.
Sie war erstaunt, aber gehorsam. »Ja, Sir.«
Als sie gegangen war, setzte sich Deal wieder hin und sagte mit einem Anflug von Sarkasmus: »Deshalb hat Sandy Lansing keine Sextreffen mit unseren Gästen gehabt.«
Lucas sah der Frau nach, überlegte einen Moment, nickte dann. »Sie war nicht attraktiv genug.«
»Nicht im Geringsten, für dieses unser Haus«, sagte Deal zufrieden. »Und wir haben noch mehr solcher jungen Frauen wie Jean. Sogar noch attraktivere. Nicht etwa, dass ich etwas von privaten Arrangements zwischen Angestellten des Hotels und unseren Gästen wüsste – natürlich nicht.« Er faltete die Hände über dem Bauch und lehnte sich weit zurück. »Sonst noch etwas, Officer Davenport?«
Lucas lehnte sich weit vor, lächelte, streckte die Hand aus und klopfte ihm auf die Kniescheibe. »Ja. Lansing und Drogen. Wo hatte sie das Zeug her?«
»Ich weiß es nicht.« Er stieß die Worte quiekend aus, wie ein aufgeregtes Schwein. »Ich weiß nichts von irgendwelchen Drogen. Ich nehme keine Drogen, Sie wissen das.«
»Ja, richtig.« Deal log, verheimlichte irgendetwas. »Beschäftigen Sie sich noch mit Steuerangelegenheiten?«
»Oh, das würde ich sehr gerne, wenn Sie mich nicht reingelegt hätten«, knurrte er. »Jetzt beschäftige ich mich mit Hotelangelegenheiten.«
»Gefällt Ihnen das besser?«
»Nein«, sagte Deal. »Keinesfalls. Früher war ich jemand. Und jetzt sitze ich in einem gottverdammten Rattenkäfig.«
10
Nichts mehr, was er tun konnte … Cops schwärmten aus und überprüften die Aussagen der Partyteilnehmer auf Übereinstimmung, erstellten Biografien, verglichen gewonnene Erkenntnisse Stück für Stück. Am Straßenrand vor dem Gebäude versammelten sich mehr und mehr Reporterwagen der Fernsehstationen. Lucas rief Rose Marie an, meldete sich ab und fuhr nach Hause, zu seinem Haus in St. Paul.
Machte sich ein Sandwich, holte ein Bier aus dem Eisschrank – das Letzte, wie er sah; er würde Nachschub holen müssen. Schaltete den Fernseher ein: Die »Filmleute«, wie der Bürgermeister zu sagen pflegte, drehten wie erwartet fast durch. Bei den lokalen Nachrichten wurden der Sport und das Wetter auf ein Segment von fünf Minuten gekürzt, alles andere auf zwei Minuten – der Rest der halbstündigen Sendung beschäftigte sich mit Alie’e. Danach ging man zu Talkshows über. Die Talkmaster hatten den ganzen Tag Zeit gehabt, sich auf das Thema »Mode und Drogen« vorzubereiten, und jetzt beklagten viele ernste Männer im mittleren Alter die bestehenden Zustände.
Fox und NBC brachten ein erstaunliches Foto von Alie’e in einem Kleidungsstück, das nach Männerunterwäsche aussah. Das Foto war so sexy, dass man es gerade noch im Fernsehen zeigen konnte, ohne gewisse Körperteile mit einem schwarzen Balken zu überdecken, wie Lucas dachte – und alle Kommentatoren nannten Plain als den Fotografen und bedankten sich bei ihm und dem Modemagazin The Star , dass sie das Foto zeigen durften.
In den Nachrichten von ABC wurde verkündet, die neueste Ausgabe des Star werde ab vierzehn Uhr am nächsten Tag in den Zeitungsläden und Kiosken zu haben sein – nur Sechsundsechzig Stunden nach dem Mord an Alie’e. Ein technisches Wunder, dass man das so schnell hinkriegt, dachte Lucas. Er grinste, als eine Sequenz in dem Bericht zu sehen war, in der ein verwirrter George Shaw von einem Cop zu einem Streifenwagen geführt wurde. Die Filmleute hatten hinsichtlich George angebissen, wenn auch nicht sehr intensiv.
»Während Drogen offensichtlich eine zentrale Rolle bei den Ermittlungen spielen, tauchen Gerüchte über sexuelle Eskapaden auf, in die ein ehemaliges Model namens Jael
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