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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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angemessenen Gladiolenstrauß auf dem Tisch und kam zum Empfangspult. Eine hübsche junge Frau stand dahinter, eine Schwarze mit hohen Wangenknochen. Sie trug einen konservativen Hosenanzug und eine silberne Kette mit kleinen ovalen Türkissteinen.
    »Ich möchte Mr. Deal sprechen«, sagte Lucas. »Mr. Derrick Deal.«
    »Ich rufe ihn an. Wie ist Ihr Name bitte?«
    »Nein.« Lucas lächelte, um die Schroffheit seiner Antwort abzumildern, zückte seinen Ausweis und hielt ihn ihr hin. »Mein Besuch soll so was wie eine Überraschung sein. Würden Sie mir einfach nur sagen, wo er sich befindet …«
    Sie griff zum Telefon. »Ich rufe den Dienst habenden Manager an.«
    Lucas langte über das Pult und legte die Hand auf das Telefon. »Machen Sie das bitte nicht. Zeigen Sie mir einfach nur, wo Mr. Deal sich aufhält.«
    »Ich bekomme Schwierigkeiten.« Ihre Unterlippe zitterte.
    »Nein, das werden Sie nicht«, besänftigte Lucas die Frau. »Glauben Sie mir.«
    Sie sah nach links und rechts, entdeckte keine Hilfe, biss sich auf die Unterlippe, sagte dann: »Er ist in seinem Büro … den Flur hinunter.« Sie schaute nach rechts, zu einem engen, von der Lobby abzweigenden Korridor.
    »Kommen Sie mit, zeigen Sie mir die Tür.«
    Sie sah noch einmal Hilfe suchend nach beiden Seiten, als hoffte sie, der Manager würde plötzlich irgendwo erscheinen, sagte schließlich: »Bitte sehr …« Sie kam hinter dem Pult hervor und ging, Lucas voraus, mit schnellen Schritten durch die Halle. Als sie außer Sicht der Lobby waren, ging sie langsamer. »Ist er in Schwierigkeiten?«
    »Ich habe nur ein paar Fragen an ihn.«
    »Wenn er Schwierigkeiten hat, wäre das nur gerecht«, sagte sie.
    »Tatsächlich?«
    »Er ist ein Mistkerl.«
    »Einen Moment mal«, sagte Lucas mit ruhiger Stimme und blieb stehen. »Wieso?«
    »Er presst seine Untergebenen aus wie Zitronen.«
    »Geld? Sex? Im Zusammenhang mit Drogen?«
    »Keine Drogen«, sagte sie.
    »Mussten Sie sich auch schon einmal gegen ihn zur Wehr setzen?«
    »Nicht sehr intensiv. Ich bin ihm wahrscheinlich ein bisschen zu schwarz. Als er sich aber trotzdem mal an mich ran machen wollte, habe ich ihm gesagt, mein Bruder würde her kommen und ihm die Eier abschneiden.«
    »Und er hat Ihnen das geglaubt?«
    »Ja. Mein Bruder kam her und hat ihm sein Messer gezeigt.«
    »Aha …«
    »Aber wir haben ja all diese kleinen Zimmermädchen, viele von ihnen sind Mexikanerinnen und haben oft keine Aufenthaltserlaubnis. Das Hotel stellt sie ein, um Geld zu sparen. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage.«
    »Und er quetscht sie aus? Erpresst sie?«
    »Ja. Manchmal geht’s um Sex – es sind ja immer einige Zimmer nicht von Gästen belegt … Aber meistens geht’s um Geld. Die Gäste geben den Mädchen Trinkgelder, oft zehn oder zwanzig Dollar. Einen Teil davon müssen sie bei Deal abliefern; er nimmt dadurch bestimmt fünfzig Dollar am Tag ein. Die Mädchen haben Angst, seine Forderungen nicht zu erfüllen. Er braucht ja nur einen anonymen Telefonanruf bei der Einwanderungsbehörde zu machen. Und das lässt er die Mädchen natürlich wissen.«
    »Vielleicht sollten die Mädchen auch mal ihre Brüder aus Mexiko herholen«, sagte Lucas.
    Sie schüttelte den Kopf. »Leichter gesagt als getan.«
    »Ich weiß«, sagte Lucas. »Okay: Ich werde ihm meine Fragen stellen, und dann könnten wir uns ja mal überlegen, wie wir ihn ein wenig bremsen können.«
    »Das Hotel wird ihn nicht rausschmeißen«, sagte sie. »Er ist gut in dem Job, den er macht.«
    »Und was ist sein Job?«
    »Er regelt alles. Besorgt Karten für Shows und Basketballspiele. Wenn jemand krank wird, holt er den Doktor.«
    »Das könnte doch jeder andere auch machen«, sagte Lucas.
    »Na ja, wenn ein Rock-Star krank wird …«
    »Weil er ein bisschen zu viel Zeug geschnupft hat?«
    »Ja, was auch immer. Oder wenn es Streit zwischen Liebespärchen gibt und jemand verprügelt wird oder verletzt …«
    »Okay«, sagte Lucas. »Wir können uns aber trotzdem mal mit ihm über die Zimmermädchen unterhalten, nicht wahr?«
    Lucas wartete, bis die Empfangsdame aus dein Flur verschwunden war, dann drückte er leise die Tür zu Deals Büro auf. Das Büro bestand aus sechs Kabinen, die durch schulterhohe Trennwände voneinander abgeschirmt waren. In der hinteren Ecke war das Klacken eines Computer-Keyboards zu hören.
    Deal war ein Mann mit schütterem Haar, einer langen Nase und dicken Lippen, die er angespannt zusammenkniff, während er auf den

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