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Nachtblind

Nachtblind

Titel: Nachtblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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ich weiß.«
    Lucas ging zügig weiter. Rose Maries Sekretärin nickte zu der geschlossenen Tür hin und sagte: »Da drin findet eine Massenversammlung statt. Alie’es Familie plus einige Freunde. Man wartet schon auf Sie.«
     
     
    Rose Marie hatte sich hinter den Schutzwall ihres Schreibtischs zurückgezogen. Links von ihr war Dick Milton, der Pressesprecher des Departments, mit angespannten Kaumuskeln auf der Kante eines Klappstuhls in Stellung gegangen. Acht Personen saßen im Halbkreis auf Besucherstühlen vor dem Schreibtisch: Alie’es Eltern; Tom Olson, unrasiert, offensichtlich in derselben Kleidung wie beim letzten Treffen; drei weitere Männer und zwei Frauen, die Lucas allesamt nicht kannte.
    »Lucas, kommen Sie rein, setzen Sie sich, wir wollen gerade anfangen.« Rose Marie sah einen der Männer an, die Lucas nicht kannte, fuhr dann fort: »Wir müssen als Erstes versuchen, eine grundsätzliche Angelegenheit zu klären … Aber zunächst einmal für alle Anwesenden: Das ist Lucas Davenport, einer meiner Deputy Chiefs, den wir oft als, hmm, Leiter von Ermittlungen in Sonderfällen wie diesem einsetzen. Lucas, Sie kennen Mr. und Mrs. Olson und Mr. Tom Olson; das sind Mr. und Mrs. Benton sowie Mr. und Mrs. Packard, die besten Freunde der Olsons aus Burnt River, die zu ihrem Beistand hergekommen sind; und das ist Mr. Lester Moore, der Herausgeber der Zeitung von Burnt River.«
    Moore war ein schlaksiger Mann mit rötlichem Haar und wässrigen grünen Augen. Er trug eine faltige Hose, die drei Zentimeter zu kurz war und einen Streifen bleicher Haut zwischen dem oberen Rand der weißen Socken und den Aufschlägen der grünen Hose offenbarte. »Ich bin das Problem bei der grundsätzlichen Angelegenheit«, sagte er leutselig.
    »Das Problem besteht darin«, sagte Rose Marie, »dass Mr. Moore ebenfalls ein guter Freund der Olsons ist.« Alle Olsons nickten unisono, ebenso die Bentons und Packards. »Sie möchten, dass er anwesend ist. Aber wenn wir ihn an dieser vertraulichen Besprechung mit den Angehörigen teilnehmen lassen, erhält er Informationen, die den übrigen Medien nicht zugänglich sind …«
    »Werden Sie die vertraulichen Informationen, die wir Ihnen geben, für Berichte in Ihrer Zeitung verwenden?«, fragte ihn Lucas.
    Moore schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Ich bin hier als Freund der Familie, nicht als Reporter. Wir haben eine Reporterin hier in der Stadt, die unsere Berichterstattung übernimmt.«
    Milton, der PR-Mann, meldete sich: »Es könnte ja aber sein, dass Sie aufgrund der zusätzlichen Informationen Fehler in den Berichten Ihrer Reporterin erkennen – was dann?«
    »Wir werden das nicht ausnutzen und bei der Story der Reporterin bleiben«, sagte Moore. »Die Menschen in Burnt River haben ein Recht auf korrekte Information – aber nicht unbedingt immer auf dem allerneuesten Stand der Dinge.«
    Rose Marie sah Lucas an, der die Schultern hob und sagte: »Vertrauen Sie ihm doch erst einmal, und wenn irgendetwas durchsickert, schließen wir Mr. Moore zukünftig von Besprechungen dieser Art aus.«
    Rose Marie dachte einen Moment nach, nickte dann. »Okay. Mr. Moore kann bleiben … Unter der Voraussetzung, dass nichts von dem, was in diesem Raum gesagt wird, nach draußen getragen wird.«
     
     
    Lucas beobachtete Tom Olson, während Rose Marie die Gruppe darüber informierte, was in den vergangenen vierundzwanzig Stunden unternommen worden war. Sie berichtete ihnen auch vom Mord an Amnon Plain. Olson saß wuchtig und reglos auf seinem Stuhl, hatte das Kinn fast bis zur Brust gesenkt und starrte unentwegt Rose Marie an. Er war nicht wirklich kräftig gebaut, nicht im Sinne von massig, dachte Lucas, obwohl ein Beobachter aus der Ferne dies denken konnte – vor allem auch, weil ein kräftiger Körperbau bei Männern im nördlichen Mittleren Westen fast der Standard war. Aber Olson wirkte zäh und körperlich fit; er hatte einen Brustkasten wie ein Fass und ein kantiges Gesicht, aber man konnte die Knochen unter seinen Wangen und an den Handgelenken sehen. Er sah tatsächlich wie ein Mechaniker für Landwirtschaftsmaschinen aus, der er ja war; wie jemand, der daran gewöhnt ist, schwere Maschinen herumzuschieben und manchmal Strohballen herumzuwerfen.
    Die Bentons und Packards hingegen waren Leute mit der bleichen, runden Sanftheit wohlhabender Kleinstädter in Minnesota. Sie waren allesamt nicht ganz blond, aber auch nicht ganz brünett. Sie sprachen leise mit weichen

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