Nachtblüten
werden schon noch bezahlen müssen für Ihre Wuchergeschäfte! Denken Sie an meine Worte. Vielleicht nicht in Geldeswert, aber bezahlen werden Sie, und Sie werden elend zugrunde gehen. Unter Ihrem feinen Tuch sind Sie schon jetzt nichts als faules Aas.‹ ›Ich habe bezahlt! Meine Eltern sind im KZ umgekommen. Niemand wurde gründlicher um sein Leben betrogen als ich. Aber ich habe mir ein neues aufgebaut, und das werden Sie nicht zerstören.‹ ›Ich verlange nur zurück, was Sie mir schulden!‹ Ich gab ihm einen Scheck. Einen Scheck über ein große, eine stattliche Summe…«
Hatte Umberto D’Ancona hinter der Kamera etwas gesagt, das sie nicht hören konnten? Oder hatte er ihn nur angesehen?
»Nein… es war nicht der volle Gegenwert, nicht einmal dann, als ich reich war und alles hatte. Aber es… ich hatte Angst. Wie viele andere mochten noch aus der Vergangenheit auftauchen und Forderungen stellen?
Doch dieser eine erlebte die Genugtuung, mir nicht nur eine akzeptable Summe abzunehmen – oh, ich sah in seinen Augen, daß er wußte, er wurde noch immer betrogen –, sondern auch mit anzusehen, wie sein bitterer Fluch in Erfüllung ging. Meine Frau war während unserer lautstarken Auseinandersetzung zurückgekehrt und hatte alles mit angehört. Meine Ehe endete mit diesem Abend. Es war der dreizehnte Juni, mein Geburtstag. Darum war sie früher heimgekommen als vorgesehen. Sie wollte nicht, daß ich an meinem Geburtstag allein zu Abend aß.
Wenn Umberto je beschließen sollte, daß es nötig sei, dir dieses Video zu übergeben, dann wirst du auf Erden der dritte Mensch sein, der die Wahrheit über mich erfährt. Umberto wußte immer Bescheid, deiner Mutter habe ich gebeichtet. Was ich auch getan hätte, sie hätte mich weiter mit all ihrer Kraft, mit der ganzen leidenschaftlichen Glut und Großmut ihres Herzens geliebt. Ich glaube, nur ihr Frauen seid zu solcher Liebe fähig, und auch unter euch nur die wenigsten.«
Jacob beugte sich vor, und unsichtbare Hände halfen ihm, das gerahmte Bild auf seine Knie zu stellen.
»Dieses Bild, Sara, gehört dir. Umberto sagt, wir müßten eine Polaroidaufnahme davon machen, mit mir und einer Zeitung von heute darauf, als ob es sich um ein Entführungsopfer handelte. Aber so etwas Ähnliches ist es ja wohl auch. Umberto hat mir weiter gesagt, daß dieses Video vor Gericht keine Beweiskraft hätte. Es kann dich lediglich vor dem Verdacht schützen, unrechtmäßige Ansprüche zu erheben. Umberto meint, ich wolle mit dieser Aktion mein Gewissen erleichtern, und er findet, ich solle auch meinem Sohn die Wahrheit sagen. Ich hoffe, er irrt sich, wenn er denkt, meine Hoffnung, daß Kista schon das Rechte tun werde, diene nur dazu, meine Feigheit zu bemänteln. Ich bin überzeugt, er wird dir dein Bild zurückgeben, wenn er nach meinem Tod die entsprechende Verfügung in meinem Nachlaß findet. In dem Jungen steckt mehr von seiner Mutter als von mir. Ich habe kein Recht auf deine Nachsicht, Sara, und doch bitte ich darum. Der Brief, der für meinen Sohn bestimmt ist, wird ihn über Ruth unterrichten, über dich und den Monet. Aber sofern du dieses Video nicht einzusetzen brauchst, wird niemand außer Umberto je erfahren, wie ich an das Vermögen gekommen bin, das es mir ermöglichte, in das noch größere meiner Frau einzuheiraten. Niemand außer… meinen Opfern. Wir haben alles Erdenkliche getan, um das Scheitern unserer Ehe vor Kista geheimzuhalten. Meine Frau benahm sich stets untadelig. Nie hat sie die Beherrschung verloren. Kista mag, ja, er muß etwas geahnt haben, aber Beweise für seine Vermutungen hat er nie bekommen. Vor dem übrigen… meiner Vergangenheit, muß ich ihn beschützen. Seine Mutter hat ihr Leben lang darunter gelitten. Und ich empfinde sie wie eine angeborene Krankheit, die ich nicht an meinen Sohn vererben will. Manchmal sieht er mich so eigenartig an, stellt eine Frage, und ich denke, er verdächtigt mich, aber wenn ich ihm ausweiche, insistiert er nicht. Ich weiß, daß er mich nicht liebt. Er gehört zur Welt seiner Mutter und betrachtet mich als Fremdling. Ich rede kaum mit ihm. Was könnte ich auch sagen? Ich habe einmal den Satz gehört, der Grad der Zivilisation bemesse sich an der Distanz, die der Mensch zwischen sich und seine Exkremente legt. Auf die Geschäftswelt übertragen wäre das wohl die Distanz zwischen einem reichen Mann und der Quelle seines Reichtums. Ein paar Generationen, und aller Gestank ist verflogen.
Ich hoffe sehr,
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