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Nachtblüten

Nachtblüten

Titel: Nachtblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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wenn der Krieg vorbei ist.«
    »Krieg? Kommandieren, ich?«
    »Den ganzen Tag scheuchst du deine armen Carabinieri herum, und wenn du nach Hause kommst, fängst du wieder…«
    »Arme Carabinieri? Was meinst du mit ›arme Carabinieri‹?«
    »Weil’s wahr ist! Die Jungs hausen in der Kaserne, getrennt von ihren Familien. Und dabei sind manche nicht viel älter als Giovanni. Und wenn sie mit dir reden wollen, hörst du ihnen wahrscheinlich genausowenig zu wie deinen eigenen Kindern.«
    »Die Armee ist kein Beichtstuhl!«
    »Wie du meinst. Möchtest du Kaffee?«
    »Ja, aber was soll das heißen, ›der Krieg ist vorbei‹?«
    »Das soll heißen, daß Giovanni sich bereits entschieden hat. Er hat sich an der Technikerschule angemeldet.«
    »Aber das bedeutet…« Er wußte jetzt, daß er sich auf dünnem Eis bewegte, und lenkte vorsichtshalber ein. »Aber er hatte sich doch schon am Ende des Schuljahres entschieden, bevor wir in Urlaub gefahren sind.« Er sagte das so, daß es hoffentlich wie ein Mittelding zwischen Feststellung und Frage klang – für den Fall, daß sie ihn auch darüber bereits aufgeklärt hatte. Sie hatte. Ergeben ließ er eine zweite Gardinenpredigt über sich ergehen.
    Er konnte es nicht fassen. Er selbst hatte mit vierzehn von der Schule abgehen müssen, und er hatte seinen ganzen Ehrgeiz darein gesetzt, daß seine Söhne einmal aufs Gymnasium gehen würden. Das letzte, was er gehört hatte, so jedenfalls meinte er sich zu erinnern, war, daß Giovanni aufs naturwissenschaftliche Gymnasium wollte.
    Eine Perspektive, die ihn mit Genugtuung und Stolz erfüllte.
    »Er sagte damals, er sei sich ganz sicher.«
    »Gut, aber nun hat er seine Meinung geändert. In seinem Alter…«
    »Nein, nicht er hat seine Meinung geändert, Toto hat ihm das eingeredet, um sich später auf ihn berufen zu können. Und schuld an allem ist nur dieser verdammte Computer.«
    »Du willst doch, daß Giovanni zu den Carabiniere geht.«
    »Was hat denn das damit zu tun?«
    »Heutzutage braucht man dazu eine moderne technische Ausbildung, Salva. Ich wette, du bist der einzige auf deiner Wache, der nicht mit einem Computer umgehen kann.«
    »Nein, bin ich nicht. Lorenzini ist fünfzehn Jahre jünger als ich, und er kann’s auch nicht.« Lorenzini wäre überrascht gewesen, das zu hören, aber Teresa wußte es nicht besser, und so berief er sich wie immer auf seinen bewährten Verbündeten. »Außerdem wird Toto sich schon anstrengen müssen, den Wehrdienst durchzustehen, von einer Karriere als Berufssoldat ganz zu schweigen. Er hat also keinen Grund, nicht auf eine gute Schule zu gehen, bloß damit er später mal Diebstahlsprotokolle in einen Computer tippen kann.«
    »Die Technikerschule ist eine gute Schule, und Toto möchte Softwaredesigner werden. Das hab ich dir doch gesagt.«
    »Was soll denn das sein… nein, sag’s mir nicht! Ich will nichts mehr davon hören!«
    Sein Herz hämmerte. Es dröhnte bis in den Kopf hinauf. Teresa erhob sich von ihrem Platz am Küchentisch, wo sie ihren Kaffee tranken.
    »Wo willst du hin?«
    Sie kam um den Tisch herum und zog seinen Kopf an ihre Brust. »Was ist denn nur los mit dir, Salva? Warum regst du dich so auf?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte er und schluckte mühsam. Das Hämmern in seiner Brust machte ihm das Atmen schwer. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist, und ich weiß nicht, wie du’s mit mir aushältst. Ich bin zu nichts nütze. Ich hätte dir bei dieser Entscheidung vor Wochen helfen sollen, nicht jetzt. Jetzt ist es zu spät. Ich bin zu langsam. Meine Mutter hat das immer gesagt, und sie hatte recht.«
    »Sag so was nicht.«
    »Warum nicht? Du sagst es doch auch immer.«
    »Na, dann brauchst du’s doch nicht zu wiederholen, oder?« Sie hielt seinen Kopf und blickte hinunter in seine großen, traurigen Augen. »Was ist los, Salva? Es geht doch nicht bloß um die Schule. Da ist noch etwas anderes, das dir auf der Seele liegt, nicht wahr?«
    »Nur meine elende Langsamkeit. Sag schon, was wirst du mir noch ankreiden, weil ich nicht zugehört habe…«
    Solange sie ihn im Arm hielt und er das Vibrieren ihrer Stimme spüren konnte, war alles gut. Aber in der übrigen Zeit fühlte er wieder die kalte, fette Kröte, die sich in seinem Magen eingenistet hatte, und er konnte die bangen Vorahnungen, die ihn plagten, nicht vertreiben.
    Allein, ein Tag um den anderen verstrich, und nichts geschah. Er zwang sich verbissen, seiner gewohnten Klientel mit ihren gewohnten Problemen

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