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Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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Poren. Die fleischigen Blätter schlappten mir mit einem widerlichen Geräusch ins Gesicht und ließen glitschigen Blütensaft – wie Speichel – auf meiner Haut zurück. Ich stieß eine Reihe Flüche aus, die Hawke alles Schlechte dieser Welt an den Hals wünschten. Die Wut gab mir Kraft, ich richtete mich auf und zog die Machete mit einem Ruck aus dem klaffenden Stamm. Da sah ich sie, zu Tausenden krochen sie aus der Öffnung, Alptraumgeschöpfe, wie Maden aus einer Leiche. Ich taumelte zurück, verlor erneut den Halt und fiel.
    Ich versuchte, auf die Füße zu kommen, aber die Wurzeln des Baumes umklammerten meine Beine wie die Arme eines Polypen. Ich schrie um Hilfe. Doch niemand kam, um mich aus der Umklammerung zu befreien.
    In Panik warf ich mich auf dem schwammigen Boden hin und her, die Augen wie hypnotisiert auf die ekelhaften Bewohner des Baumes gerichtet. Blutsauger, dachte ich zusammenhangslos, und da fielen sie wie ein schwarzer Schleier herunter, ihre süßen Ausdünstungen nahmen mir den Atem, paralysierten mich.

    Verflucht, sie hat mich gebissen. – Los, los, wir müssen sie finden, eh das Ding sie übernimmt!
    Da waren sie wieder, die Echos meiner Vergangenheit. Aber wie jedes Mal, wenn ich mich endlich zu erinnern glaubte, drang sie auf mich ein: Nahrung, schrie die Stimme, die fast schon ein Teil von mir war, Hunger!
    Vergebens presste ich die Hände an die Ohren, sie verstummte nicht. Ich sog die fremden Gerüche, die aus einem Off-World-Imbiss über die Straße zogen, wie belebenden Sauerstoff ein. Dann sah ich den Abfalleimer, hob den Deckel. Süßer Verwesungsgestank schlug mir entgegen, schillernde Parasiten saßen auf blutig verkrusteten Fleischstücken.
    Hunger, Hunger, hämmerte die Stimme auf mein Nervensystem, pulsierte in meinem Nacken, ich krümmte mich unter dem Schmerz.
    Eine willenlose Hand griff die fauligen Brocken, und ich verbarg sie unter meinem Coverall.
    Die Blicke der Vorbeigehenden wandten sich voll Ekel von mir ab. Eine Gruppe Raumfahrer warf mir von Weitem Scherzworte zu, um dann beim Näherkommen vor mir auszuspucken.
    Den Schatten suchend, lief ich zu meinem Versteck in Hanjis Hinterhof, wo ich meine Schande im Halbdunkel verbergen konnte.
    Ich fiel auf die Knie und saugte an dem zähen Fleisch; warmes Blut füllte meinen Mund, und ich würgte. Hunger, schrie die Stimme, und ich schluckte, und die Stimme löschte alles aus, meine Erinnerungen, meine Vergangenheit, meine Hoffnung, mein Leben.

    Oh, wohltuende Nahrung, samtige Dunkelheit. Kommt zu mir, ihr Glücklosen, Einsamen, lockten Gedanken, die nicht mehr meine eigenen waren, dann wurde ich bewusstlos.

    »Hallo, Küken.« Mit schiefem Grinsen sah Hawke auf mich hinab, nur diesmal war es kein böses Grinsen, sondern es schien gleichzeitig Besorgnis und Erleichterung zu signalisieren.
    »Sieht so aus, als hätten wir dich gerade noch rechtzeitig gefunden.«
    »Was ist passiert?« stellte ich die dümmste und üblichste aller Fragen. Dann erinnerte ich mich – Saratoga VII, der Dschungel, die Maden, die aus dem Stamm krochen und meine Hilferufe erstickten.
    »Sind wir wieder im Raum?«
    Jonsys besorgtes Gesicht schob sich in mein Blickfeld. »Sie hat vergessen, was seit Saratoga passiert ist, armes Ding.«
    »Du bist wieder o. k., Mancini. Hast nur ’nen kleinen Landurlaub auf Schnappfischs Welt gemacht und bist ’n wenig aus der Bahn gelaufen, nichts, was nicht wieder auf die Reihe kommt.«
    Ich versuchte, mich aufzusetzen, doch mir war schwindlig. »Das Pech der Raumfahrer des siebten Quadranten?«
    »In einer miesen Hafenkneipe abgefüllt und ausgeraubt mit einem galaktischen Kater aufgewacht?« Hawke lachte schallend. »Musst noch ’ne Menge lernen, Küken. Jetzt schlaf dich erst mal aus, später reden wir weiter.«
    Mein Kopf fühlte sich seltsam leer an, ich rieb mir den Nacken und ertastete weichen Verbandsmull und darunter einen dumpfen Schmerz – fühlte einen Verlust, der aber seltsamerweise voller Erleichterung war. Noch mehr Fragen. Aber ich war allein, allein in einem Raum, der wie die Erste-Hilfe-Station der Hafenverwaltung aussah. Später, hatte Hawke gesagt, und das war auch gut so, dachte ich schläfrig.
    Später war auf der Sternwärts. Und noch nie habe ich mich auf dem alten Raumschiff so heimisch gefühlt. Saratoga VII wurde übrigens zur gesperrten Zone erklärt, aber irgendwie hat Hawke mir nie so richtig erklärt, weshalb, noch hat er mir gesagt, woher ich diese seltsame Narbe an

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