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Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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hinten, fern der grellen Leuchtreklamen, der aufgetakelten Schlepper mit ihren waffenstrotzenden Managern, wischte ich mir den Schweiß von der Stirn, überlegte meinen nächsten Schritt.
    Ich musste verdammt vorsichtig sein, sonst schnappten sie mich doch noch, nach all den Wochen des Versteckens und der Flucht, oder waren erst ein paar Tage vergangen?
    Mein Zeitgefühl war seit einer Weile seltsam vage, nur von Hell und Dunkel bestimmt.
    Nie lange an einem Ort bleiben, immer in Bewegung sein, das war meine Überlebensmaxime, und auf Schnappfischs Welt zu überleben, ohne Geld, ohne Protektion, war das Schwerste, was ich jemals versucht hatte.
    Das aufgedrehte Lachen eines Pärchens drang zu mir. Ich hatte sie vorhin kurz sehen können – sie hatten die unbekümmerte Haltung der Privilegierten – der Neid saß immer noch wie ein Klumpen Pech in meinem Bauch, und in meiner Kehle würgte ein unausgesprochenes: Warum immer ich?

    Ja, kommt nur zu mir, lockten meine Gedanken. Aber das Lachen entfernte sich, sie waren immun. Vielleicht hatten sie auch meine Gier gespürt – oder war es meine Unentschlossenheit? Ich musste bedachtsamer vorgehen, wollte ich meinen Wirt nicht verschrecken. Ich hatte Zeit, unendlich viel Zeit. Jede Nacht, in der ich meinen Verfolgern entkam, würde mich nur stärker machen.

    Seit ich von Bord der Sternwärts gegangen war, überkamen mich diese Gefühle immer öfter; das Pech der Sternenfahrer des siebten Quadranten, so nannten sie es hier.
    Dabei schien die Tour so vielversprechend, dass ich auf Epsilon Delta als zweiter Navigator anheuerte. Reichtümer hatte ich mir von der Raumfahrt nie erhofft, die Zeiten der ruhmvollen Entdecker waren längst Geschichte, der Stoff, aus dem die Träume abenteuerlustiger Burschen gemacht sind – aber dass ich als Outlaw, als Gejagte enden würde ...
    Ich nahm die fremde Gegenwart wie einen verstohlenen Windhauch wahr, aber da war es bereits zu spät. Eine schuppige Hand presste sich auf meinen Mund, und ein summendes Vibromesser umkreiste spielerisch meine Kehle.
    »Ein Laut, und du bist tot«, zischte eine Stimme mit schwerem Akzent in mein Ohr.
    Fauliger Fischatem ließ mich würgen, meine Zähne schlugen im Gleichklang meines erregten Herzschlags aufeinander. Mein Mund wollte sich zu einem unkontrollierten Schrei öffnen, doch meine Hysterie wurde von einer Kaltblütigkeit unterdrückt, die mir fremd war.
    Die Hand wurde von meinem Mund genommen und tastete mich ungeschickt ab, fuhr in die Taschen meines Coveralls, untersuchte Säume und Falten. Die Situation entbehrte nicht einer gewissen Komik. Ein Habenichts überfiel den anderen. Nein, halt, das stimmte nicht, der Schuppige hatte immerhin das Messer, und spätestens wenn er merkte, dass er einen abgebrannten Raumtramp eingefangen hatte, würde es gefährlich werden. Es waren schon viele aus blanker Wut und Enttäuschung abgestochen worden.

    Krachend schlug die Tür von Hanjis Souvenirladen gegen die Wand, und ein Kübel stinkenden Mülls wurde in die Dunkelheit entleert. Dunkelheit, meine Zuflucht, meine Rettung.

    Sorgsam reinigte ich das Messer an dem schnell steif werdenden Kadaver. Jetzt war ich kein wehrloser Flüchtling mehr.
    Mit fliegenden Fingern durchsuchte ich den Fremden, die billigen Kleider klebten von seinem Blut. Vage drängte sich ein Hungergefühl an die Oberfläche meiner gehetzten Gedanken.
    Wie lange war es her, dass ich zuletzt Nahrung zu mir genommen hatte? Doch das Bild von genießbaren Speisen war seltsam verschwommen, wie so Vieles, seit ich von der Sternwärts geflohen und im verrufensten Viertel dieses Planeten untergetaucht war.
    Fast schien es, als lebte ich in einem fremdartigen Nebel, als würden alle meine Sinne einer Zensur unterzogen. Was war nur mit mir geschehen, wenn ich mir nicht einmal selber trauen konnte?
    Hastig wendete ich den Körper und tastete den Boden in der Umgebung ab – nichts –, dann zog ich ihn hinter einen stinkenden Abfallhaufen. Der süße Blutgeruch, der aus der Leiche des Aliens strömte, verstärkte meinen Hunger. Aber noch war ich nicht so weit, dass ich Hanjis Müll nach etwas Essbarem durchsuchte.
    Bald würde es dämmern. Zeit, nach einem neuen Versteck zu suchen. Stunden unruhigen Schlafes, qualvoller, verwirrender Alpträume. Dämmerung – das war die Zeit der Fragen.

    »He, Jo, der Alte hat dich ausgesucht.«
    Böse grinsend stand Hawke vor mir. Er genoss es, wenn andere vom Captain der Sternwärts gescheucht

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