Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
Vom Netzwerk:
meine Rede an, immer noch mit diesem Gesichtsausdruck, der mich zunehmend irritierte. Deshalb schloss ich hastig: »Wenn du also in Fleisch bezahlt werden willst, bringen wir’s am Besten in meiner nächsten Freischicht hinter uns, o. k.?«
    Jetzt sah er aus, als hätte er sich verhört, dann lachte er laut auf. »Starke Ansprache, O’Shea. Ich bin beeindruckt.« Er lachte immer noch. »Wundert mich jetzt nicht mehr, dass sie euch Frauen die Raumfahrt überlassen haben.«
    Ich merkte, wie mein Gesicht zu glühen begann, doch er konnte es nicht mehr sehen, die zweite Schleuse schloss sich gerade hinter ihm. Und ich stand nur da, mit meinem verletzten Stolz und meinen Vorurteilen.
    »Verschwinde hier, Rekrut O’Shea, du blockierst die Schleuse.« Die Stimme von Duvall, P. – meiner ganz persönlichen Sklaventreiberin. Wie ich sie hasse.
    »Ja, Madam«, knirschte ich, bückte mich nach meinem Anzug und nahm Haltung an.
    »Du hast unerlaubt deinen Posten verlassen, Rekrut O’Shea. Melde dich sofort bei Harare und lass dich für eine Extraschicht im Data-Suit eintragen.«
    Plötzlich sehe ich wieder Halloran vor mir, doch bei dem Versuch, mir Duvall in der gleichen Situation vorzustellen, wurde mir nur wieder schlecht. Ich fing an zu würgen. Duvall beobachtete mich grinsend; ich wette, das Miststück kann Gedanken lesen. Meine Arme wurden unter ihren Blicken schwer, und der Anzug glitt langsam davon; ungeschickt versuchte ich, Helm und Raketenpack festzuhalten. Ich fühlte mich so dumm, dumm und gedemütigt.

    Harare ist in Ordnung. Sie macht einem die Sache nicht unnötig schwer. Sie half mir beim Anlegen meines Data-Suits und schickte mich mit einem ermunternden Blick in den Simulator.
    Sobald du drin bist, vergisst du, dass alles nur eine weitere elende Trainingsrunde ist. Der Schweiß läuft dir in die Brille, dein Herz schlägt wie verrückt. Plötzlich kriegst du keine Luft mehr, und die ganze Sache wird ein Ding auf Leben und Tod. Wenn du draußen bist, weißt du, dass alles nur VR ist, dass sie mit Geräuschen deine Herzfrequenz erhöhen, dich unter Stress setzen, weißt, dass dich die anderen nie wirklich verletzen können. Und trotzdem, jeder kennt die Gerüchte, jeder hat schon Mitglieder seiner Einheit verschwinden sehen – einfach so, von einer Schicht zur nächsten, ohne dass sie dir die geringste Erklärung gegeben haben. Wir nennen die Dinger nicht ohne Grund Särge.
    Die fünf von der Mars-1-Mission mussten da auch durch, und sie waren so stolz, Auserwählte zu sein. Wir alle waren stolz auf sie. Und jetzt waren sie unsere Helden. Vielleicht nicht die schlechteste Art, unsterblich zu werden.
    Ich erinnere mich noch gut an den Tag, als sie es in den Nachrichten brachten. Zuerst wollte es niemand glauben, ich meine, die setzten einem vierundzwanzig Stunden am Tag diese gequirlte Scheiße vor, diesen ganzen Heilige-Staaten-Bund-Mist, wer hört da überhaupt noch richtig zu? Es dauerte eine ganze Weile, bis wir überhaupt checkten, was da ablief. Kontakt unterbrochen, hieß es erst, dann sickerte etwas über Aggressoren durch, und für einige wilde Augenblicke dachte ich, dass der HSB eine eigene Mission losgeschickt hatte, die unsere Besatzung kaltmachte, im Namen von wem auch immer, für diese ganze Heilige-Krieg-Nummer. Ich meine, es lag irgendwie auf der Hand. Jeden Tag konnte es doch losgehen. Die hatten das Öl und wir die Autos.
    Ich hatte natürlich kein Auto, hatte ja nicht mal ’nen Job. Und dann, als sie den Dingern einen Namen gegeben hatten, als das Feindbild allmählich so richtig abgerundet und hässlich wurde, da kamen sie, um Typen wie mich anzuwerben.
    Blauköpfe. Heute erinnert sich keiner mehr, wer eigentlich auf diesen Namen gekommen ist. Wenn ich mir’s recht überlege, weiß doch sowieso niemand von uns Outsidern, was damals auf dem Mars gelaufen ist. Was die Besatzung der Mars-1-Mission niedergemacht hat. Aber, sei mal ehrlich, O’Shea, D., hast du jemals danach gefragt? Die da oben verkauften uns böse, hässliche Aliens, und wir haben’s alle geschluckt. Und dann, als die ATA alles übernahm, wagte auch niemand mehr, zu fragen.
    Mars, die SimScape rast vor mir vorbei – computergenerierte Cañons und Täler. Ich frag mich wie’s wäre, den roten Sand unter schweren Raumstiefeln knirschen zu hören, gegen den Sturm zu laufen –
    »Verdammt, O’Shea, wach auf da drin!«
    Harares Brüllen riss mich aus meinen Gedanken. Ich zuckte zusammen, und alle Anzeigen reagierten

Weitere Kostenlose Bücher