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Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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gibt immer Stinker wie Halloran, die einen Kollegen für ein paar Bonuspunkte verpfeifen.
    »Muss ja ’n verdammt guter Witz sein, wenn so ’ne taffe Tussi wie du drüber lachen kann, O’Shea.«
    Kierin. Er hakt sich mit dem Fuß über meiner Kopfstütze ein, beide Arme voller Coronas, volle Flaschen. Er sieht verschwitzt und atemlos aus und lacht mich an, als wären wir die besten Freunde.
    Aus der Ecke der Wartungsmannschaft rufen sie zu ihm rüber, machen Witze. Er flippt einige Flaschen zu ihnen, quer durch den Raum, ich staune mit offenem Mund, einige klatschen Beifall und grölen. Warum sind so gut drauf, haben wir ihnen nicht ihren Traum gestohlen? Sahen nur zu, als sie Opfer der Politik wurden. Und was tun sie – tragen ihre abgewetzten Coveralls mit NASA-Logos, trinken Bier und zeigen uns, dass ihnen mal der Weltraum gehörte. Wie stolz müssen sie gewesen sein, sie, die zu den Auserwählten gehörten – die Astronauten.
    »Kicher nicht alleine in dein Bier, komm mit rüber, Küken.«
    Er zieht mich für einen kurzen Augenblick an sich und gibt mir dann einen Schubs. Ich schlucke meine Wut, ich will mich nicht noch einmal vor ihm lächerlich machen. Er überholt mich mit einer Drehung seines ganzen Körpers und sieht dabei so gut aus, wie es ich auch nach zehn Jahren in Schwerelosigkeit nie könnte.
    »Andrej Andrejovich, Kosmonaut Mir 3, Thomas Carlsson, Wissenschaftsoffizier SS Freedom –« Mit einer umfassenden Geste stellt er die Männer vor. All diese Namen, all diese Geschichten hinter den Namen.
    »Kierin ist bescheiden.« Dieter Jobst, Navigator der letzten großen Neptun Rakete, lacht spöttisch. »Unser Mission-Mars-Commander.«
    Ich schlucke, plötzlich ist meine Hals eng und ich weiß nicht mal genau warum. Doch ich weiß es, ich sehe es in seine Augen und fühle mich wie ein Voyeur. Starre auf die NASA-Logos, die Mission-Mars-Signets.
    »Da staunt das Küken«, jetzt machen sie ihre Scherze mit mir, sind auf seiner Seite, seine Kumpels. »Wir hätten kurzen Prozess mit diesen Schlauköpfen gemacht.«
    »Blau oder Schlau, wer fragt schon –«
    »Genau, uns hätten sie fragen sollen, nasdrowje, Astronaut.«
    Ich höre ihre Stimmen wie durch einen Nebel. Ich spüre, er beobachtet mich, ich versuche seine Anwesenheit zu ignorieren. Dann schiebt er mir eine Corona in die Hand. Sein Coverall ist am Hals offen und ich kann seine Schultermuskeln unter der schweiß-glänzenden Haut sehen, seinen Nacken, seinen Puls. Er bemerkt meine Blicke, ich werde verlegen, doch er lacht nicht und ich weiß, er will mich genauso, wie ich ihn.

    Es war anders mit Kierin. Ich kann es nicht erklären, aber wir beide spürten es. Die wenigen Stunden, die wir hatten, waren viel zuviel, um nur Stunden zu sein. Wir liebten uns zwischen defekten Raumanzügen und leeren Sauerstofftanks. Wir liebten uns so, als wäre jedes Mal das letzte Mal, und irgendwie wussten wir beide, dieses letzte Mal, es würde kommen, ohne dass wir etwas dagegen tun konnten. Und dann war er verschwunden. Ich meine nicht, abgelöst, versetzt, ich meine verschwunden, so, als wäre er nie auf Station 7 gewesen. Sie löschten alle seine Daten, räumten seinen Spind aus, und sein Name wurde nie mehr erwähnt.
    Doch da waren Warnungen, Zeichen, ich hatte sie ignoriert. Wollte nicht glauben, dass er mir etwas verschweigen konnte, wollte nicht fragen. Vielleicht hatte ich auch bereits zuviel gefragt. Ja, verdammt, ich hatte Angst, Angst die Sicherheit, die unsere Liebe bot, zu verlieren. Dabei waren wir beide schon längst verloren, nur er, Kierin, er wusste es, sprach davon, ohne dass ich es erkannte. Sprach über seine Pläne, seine Neugier, und dass er endlich wissen wollte, warum die anderen Stationen aufgegeben worden waren.
    Es war seine Freischicht, ich hatte auf ihn gewartet, nach ihm gesucht. Nie hätte ich vermutet, dass er nicht mehr auf der Station war, dass er endlich Antworten wollte, Antworten auf all die Fragen, die ich nie laut zu stellen gewagt hatte, aus Angst vor den Konsequenzen. Hätte ich ihn zurückhalten können? Wohl kaum, ich hätte es auch gar nicht gewollt. Es war dieses Unbekümmerte, alle Risiken Nehmende, dass ich in ihm liebte, um das ich ihn beneidete. Er war der Astronaut und ich nur die Zwangsverpflichtete mit Kinderträumen, die versuchte, in diesem schwerelosen Alptraum am Leben zu bleiben.
    Dann, als wir uns trafen, Stunden später, war es da, dieses Gefühl der Endgültigkeit. Seine Blicke, seine Berührungen,

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