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Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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nie gedacht hatte, dass es wirklich so klingen würde. Der Schädel platzte auf, und gelber Glibber sprang ihm entgegen, schlug sich um sein Gesicht wie eine schleimige, schimmelige Decke, wie eine sich verflüssigende Leiche.
    Spider kotzte. Er rutschte an der Wand hinunter, fühlte die wattigen Spinnweben an seinem Rücken, seinen bloßen Armen, und kotzte wieder. Er war so klein und schwach, doch er hatte das Monster vernichtet. Er war allein. Allein wie in einem Grab. Spider wusste, was zu tun war, seine Hand wusste, was zu tun war. Die ganze Zeit hatte er den Plug in seiner geschlossenen Faust gehalten, wie einen Talisman. Er hob die Hand, sie war auf dem Weg zu seinem Nacken, als er merkte, was er tat. Doch es war zu spät. Reingefallen, er war voll drauf reingefallen: dies war überhaupt kein Traum, dies war die Wirklichkeit.
    Es war still. Es war die Perfektion von Stille, glasklar und heilig. Zeit wurde zeitlos, und alles andere war bedeutungslos – Niederlagen, Träume und Siege. Spider schloss die Augen und starrte gegen die leere Wand, die das Innere seines Schädels war.

Downtown Blues

    Am 7. September 2027 spielten die »Fortune Cookies« gegen die »Flying Burritos« um den Aufstieg in die erste Liga. Die Wetten waren hoch, und die Stadt kochte – bei sechsundvierzig Grad im Schatten.
    Ich bin Donovan, City-Force-Agent, und dies ist mein freier Abend. Gibt nicht viele Gelegenheiten, sich zu amüsieren in dieser heißen, dreckigen Stadt, die keinen Namen hat.
    JaiAlai war angesagt. Gepanzerte Sicherheitstrucks blockierten alle Seitenstraßen auf dem Weg zum Stadion. Totale Kontrolle, kein Risiko, kein Entkommen für Downtownratten. Barrio-Schläger gegen Kung-Fu-Kämpfer, Messer und Ketten gegen Nunchakus.

    Enrike, den Champion der »Burritos«, erwischte es in der ersten Runde, und ich stürzte zur Totobox der »Cookies«, setzte einen Wochenkredit auf das nächste Doppel.
    »He, Enrike, hörst du? Spendier’ dir einen. Zwanzig zu eins, raus ist der Champion, der große Macho-Champ.«
    Neben mir Howie Chan, siegessicher, pleite wie immer. Acht Großbildschirme. Zoom auf das gebleckte Grinsen, dieses berühmte Grinsen von Feng, dem Angreifer der »Cookies«.
    Wutschreie von der Barrio-Seite, zwei Punkte für die verdammten Schlitzaugen. Messer prallen gegen die Absperrung, Panzerglas mit Hochspannungssicherung. Die Luft im Stadion dampft vor Hitze, Schweiß, die vibrierende Erregung ist greifbar. Noch zwei Punkte bis zum Sieg, zwei verdammte Punkte. Cestas zerschneiden das grelle Scheinwerferlicht. Feng packt es noch einmal, hechtet, springt, macht den Punkt. Macht den Millionendeal mit Coca Cola, ist der Champ. Chan schreit, springt wie ein Irrer, schreit und springt mit zehntausend ausgeflippten Fans, mit mir.
    »Mann, jetzt haben wir’s ... abkassiert«, brüllt er heiser in mein Ohr. »Machen wir, dass wir hier rauskommen, bevor der Ärger losgeht.«

    Rund zweitausend durchbrechen die Sperre zur Tiefgarage, dreihundertachtzehn bleiben auf der Strecke. Barrio-Schläger und Kung-Fu-Kämpfer, blutend werden sie in die Sicherheitstrucks geladen. Hätte schlimmer sein können – kann noch kommen.
    Elf p. m., und immer noch 40˚, alles ist möglich. Zehn Minuten später hatte es den ersten Outsider erwischt. Downtown, Ecke Siebte und Westside, Barrio-Revier. Ein dreiundsechziger Caddy, hologestylt, großer Renner diesen Sommer bei den Latinos, wahrscheinlich nicht registrierte Schwarzmarktware, Fahrer flüchtig. Bald nur noch eine Meldung von vielen.
    Zwei Downtown-Cops tun nur ihren üblichen Freitagnachtjob; der Ältere der Beiden spricht in sein Walkterm: »... Farbe: schwarz, dunkelblau oder dunkelgrün, keine Kennnummer. Subjekt: männlich, weiß. Alter: nicht feststellbar ...«
    »He, Mac, keine ID-Card. Verdammte Sauerei. Wo bleiben der Reinigungswagen und die Ambulanz?«
    »... Identität: nicht feststellbar. An Pathologie: Netzhautabdrücke an Vermisstenzentrale. Todesursache: vermutlich Genickbruch. Daten speichern. Immer mit der Ruhe, Partner.«
    »Ein nicht registrierter Penner, was meinst du, Mac?«
    Schulterzucken.
    »Kam vielleicht aus dem Pfandhaus von drüben. Zeugen?«
    »Vergiss es, Amigo, oder siehst du welche?«
    »Dummer alter Mann.«
    »Machen wir, dass wir zur Zentrale kommen. Verdammt viel verrückte JaiAlai-Freaks auf den Straßen.«
    »Scheißspiel, hab’ dreißig Bucks auf die ›Burritos‹ gesetzt. Dreißig verdammte Bucks auf diesen Barrio-Champ.«

    5 a. m. –

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