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Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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seinem Dealer ist.
    »Hier und da.« Ameise ließ sein Brett in kleinen Schwüngen über unsichtbare Wellen hüpfen. Seine Hand fuhr zu seinem Haaransatz, tastend, suchend, sich vergewissernd.
    Spider kniff die Augen zusammen. Irgendwas lief hier ab, und er kapierte nicht, was. Es sah aus wie ein nervöser Tick, diese Hand, die ständig über den Nacken strich, verstohlen fast. Ameises Haaransatz – dann sah er es, die Verbindung – ein kurzes, metallisches Funkeln, und heiße Wut packte ihn wie eine Flutwelle, überrollte ihn, wollte ihn zermalmen. Sie hatte ihn betrogen! Zero-One war der Letzte gewesen, da war er sich ganz sicher – und er – er war nicht mehr einmalig! Spider sprang vorwärts, wollte Ameises Knochen zwischen seinen Fingern zerbrechen hören, doch der Junge war nur noch ein weiterer Schatten am Ende der Straße. Und er stand da, allein in diesem hässlichen Sonnenlicht, und die Fragen türmten sich in seinem Innern, krochen durch seinen Hals, wollten sich den Weg zu seinem Mund bahnen. Spider würgte. Es gab nur eine Lösung seines Problems, und die konnte verdammt hässlich werden. Er dachte an Zero-One und würgte wieder. Er schob sich eine der Bennies in den Mund. Etwas Mut, etwas von Dr. Feelgood, etwas das ihn da durchbrachte.
    Er wusste, wo sie war. »Das Zentrum des Netzes« – ein heiliger Ort. Niemand, den er kannte, war jemals dort gewesen. Oder niemand, der jemals dort gewesen war, konnte davon erzählen. Spider war es gleich. Er war in ihrem Netz zu Hause, er gehörte dazu, er war Spider, kein schäbiges, kleines, zappelndes Insekt. Sie konnte ihn fangen, aber nicht zerstören.
    Er wartete vor dem großen Haus mit den vielen Türen, bis es dunkel war. Lautlos sagte er sich die Sätze vor, die er ihr vortragen wollte. Nur mit ihr reden, nichts weiter. Sie war anders als Ameise, sie verstand die kristallene Logik seiner Worte. Sie verstand sogar seine Gedanken. Kein Grund zur Sorge, Spy, Mann.
    Er warf die restlichen Bennies ein, alle auf einmal. Er fühlte sich, als würde er zu einer Verabredung gehen, einer ganz besonderen Verabredung. Ja, das war’s. »White Wedding«, und in dieser Welt war nichts sicher, in seiner Welt – seiner und ihrer. Alles war möglich. Mann, Ameise wusste, wie man den Tag bunt machte, die Nacht, seine Nacht. Das Netz – nichts ist fair in dieser Welt – er stieß die eine Tür auf, die immer angelehnt war, so, als würde sie auf jemanden warten. Und jetzt war er endlich gekommen.
    Wattiges, dämmeriges Dunkel umfing ihn wie eine Umarmung aus klebrigem Schaum. Spider lachte lautlos, sein Körper tanzte zu diesem Gelächter, was für ein irrer Beat. Plötzlich strauchelte er, sein Fuß stieß auf klirrenden Widerstand. Spider bückte sich, ohne nachzudenken. Schließlich war dies alles nur ein weiterer von Ameises verrückten Träumen, da brauchte man nicht zu denken. Doch diese Träume konnten ganz schnell ganz unschön werden, das wusste er. Eine Waffe. Eine Waffe gegen die Monster aus der chemischen Schattenwelt.
    Und da kamen sie schon. Nie zuvor waren sie so schrecklich gewesen. Die Bennies, verdammt, Ameise hatte ihm schlechten Stoff angedreht, und er hatte sie auch noch alle auf einmal nehmen müssen. Panik schüttelte Spider. Und das Monster kam immer näher – »sie« kam immer näher.
    Geschmeidig rutschte sie an den glitzernden Fäden entlang. Ihr Kopf war groß, und ihre drei Augen waren wie Türen in eine andere Dimension, furchtbar und von gefährlich süßer Faszination. Er wollte weglaufen, doch irgendetwas machte, dass er langsam auf dieses monströse Etwas zuging. Er sah nur diese Augen, und in seinem Kopf, ganz tief drinnen, war dieses Summen. Es klang irgendwie elektrisch und uralt. Plötzlich schmeckte er den sauren Geschmack von Erbrochenem in seinem Mund. Wie hatte er es zulassen können, dass sie in sein Gehirn kroch und diese Dinge mit ihm machte, ihn all das fühlen ließ ... »Sie« war nicht die Silberspinne seiner Träume.
    Er schwang die alte Eisenstange. Nie hätte er gedacht, dass sie so leicht in seiner Hand liegen würde. Fast so, als wäre sie die Verlängerung seines Arms, die Verlängerung seiner Gedanken – nein, das war falsch, sie war die Vollstreckerin seiner Gedanken. Spider nickte, und ein kleines Lächeln huschte um seine Mundwinkel, fast wie ein Irrlicht, und er wünschte, »sie« könnte es sehen.
    »Splatsch«, machte es, als die Eisenstange ihren Kopf traf. Ein hässliches Comic-Geräusch, von dem er

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