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Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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neonsilbernen Haare mischten sich mit dem Rauch – hatte etwas Intimes, das ihn sich wie einen Eindringling fühlen ließ.
    Es war, als würde er etwas wildes Neues tun, so wie am Morgen, als er Sandoz’ Blicke auf sich gespürt und überlegt hatte, wie sie wohl ohne das Shirt aussehen würde, in der Dunkelheit, mit ihm. Und jetzt, zwischen einem Blinzeln seiner Augen, waren seine Phantasien Wirklichkeit geworden. Es war inzwischen Nacht, und der Mond zeichnete seltsame Schatten auf Sandoz’ nackten Rücken. Und er sah Sandoz, sah, was sie machte, wie sie über Geigerzähler kniete, wie sie sich bewegte. Ohne dass er es gemerkt hatte, war seine Hand in seine Jeans gefahren und bewegte sich an ihm mit dem gleichen Rhythmus. Es war anders als mit Silberspinne, aber es tat gut.
    Plötzlich warf Sandoz den Kopf zurück, und er meinte, direkt in ihre Augen zu sehen; ihre Pupillen waren wie das Tor zu einer süßen, verbotenen Welt. Und dann merkte er, dass sie ihm direkt ins Hirn sah. Dass sie seine Gedanken kannte. Er drehte sich um und rannte, bis er keuchend zusammenbrach. Spider hörte das Keuchen, das tief aus seiner Brust drang, und er schloss die Augen um noch tiefer in sich reinzulauschen, aber da war nur noch ein Echo. Sandoz war aus seinem Kopf verschwunden.
    Silberspinne war anders, und sie war immer in seinem Kopf, genauso wie der Gedanke, wo er seinen nächsten Schuss herkriegen würde. Mann, sie war die einzig wahre Droge. Sie war jede Nacht für ihn da, und sie wusste, was er brauchte, wusste alles, sagte ihm alles. Er brauchte sich nur reinzuhängen – in ihr Netz.
    Sobald er im Interface war, erinnerte sich Spider wieder: wie es beim ersten Mal gewesen war und wie es sein würde – wie er sie entdeckt hatte, in einem dieser Unternetze, die sich seit dem Zusammenbruch abgelöst hatten – und seit diesem ersten Mal war es immer besser geworden. Er fühlte, wie sie in ihn eindrang. Ihre silbernen Fühler sich in ihn bohrten; es war ein köstlicher Schmerz, und er wollte, dass er nie mehr aufhörte. Er merkte, wie sich Körper aufbäumte, seine Hüften zuckten. Das war’s Mann, das war besser als jede Droge.

    Die Sonne schien grell, und aus ihrem Licht zischte der Silver Surfer. Seine zur Punkfrisur gestylten Haare schnitten wie eine Haifischflosse durch die Luft. Spider blieb abwartend im Halbschatten stehen. Er fühlte sich richtig gut drauf heute, als hätten sich seine Powerzellen während der letzten Nacht wieder aufgeladen. »Sie« war gut zu ihm gewesen. Aber es war besser, die Vibrations zu seinem Dealer wieder herzustellen. Und in seinem Versteck hatte er sich die Worte zurechtgelegt, sie sorgfältig in seinem Mund herumgerollt, bis sie passten.
    »Spy –« Ameise hatte ihn entdeckt. Auch er wartete. Ganz cool und unangreifbar sah er aus, wie er da auf seinem Hoverboard stand und über dem Staub schwebte, so, als könnte ihn der Dreck nicht berühren, und dabei war doch sein ganzes Leben nur ein Haufen Dreck. Sie alle waren Dreck, Sandoz, Geigerzähler und er auch, ja Spider war Dreck. Warum? Weil sie nichts weiter taten, als hier auf ihren Ärschen zu hocken, sich zuzuknallen und zu jammern, während rund herum alles zusammenfiel. Es musste wohl an der Sonne liegen, dass er die Dinge plötzlich so klar sah. Die ganzen Monate hatten sie irgendwie darauf gewartet, dass eines der Unternetze ein Reparaturprogramm losschicken würde und das Obernetz wieder gebootet wurde. Zuerst hatten Spider und ein Typ namens Zero-One über das Interface versucht, ein Notprogramm zu starten. Zero-One hatte es dabei das Hirn weggeschmolzen, und er, ja er hatte Silberspinne getroffen. Und dann waren sie irgendwann alle träge geworden, hatten nur noch auf den nächsten Schuss gewartet, auf Ameise.
    »He, Mann, ich hab ’n paar Bennies für dich dabei, die machen deinen Tag bunt.«
    Spider zuckte kurz, während die Erinnerung an bunte Plüschhasen durch seinen Kopf huschte. Doch Erinnerungen waren für gewöhnlich nicht mehr als ein blasses Foto am Rande seiner Wahrnehmungen.
    »Okay, Mann, danke.«
    Das war sein Friedensangebot. Besser nicht ablehnen, der Tag war noch lang. Aber dann kamen sie wieder aus ihrem Versteck gekrochen, all die lästigen kleinen Fragen, die er nicht aussprechen wollte.
    »Woher kriegst du deinen Nachschub, Mann?« Worte können so verdammt schnell sein. Doch was war schon verkehrt an solchen Fragen? Schließlich musste er wissen, woran er war. Ist immer gut zu wissen, woran man mit

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