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Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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gibt’s noch, Donovan?«
    »Vorübergehender Tonausfall, Leutnant«, verstehe ich ihn absichtlich falsch.
    Er ist irritiert, seine Blicke huschen zwischen Monitor und Videophon hin und her, scheint mächtig im Druck zu sein. Chan, der das Display meines Walkterms im Auge hat, nickt kurz, Antrag gespeichert und genehmigt.
    »Melde einen Prämienfall, Leutnant«, nuschle ich, eher beiläufig.
    Bye, bye, Superuser. Drei magische Worte. Fraser braucht nur Sekunden, um zu checken, was angesagt ist. Ungläubige Wut. Pech, die verdammte Donovan mit ihrem schlitzäugigen Spürhund war schneller. Hab nur noch Frasers Wut gebraucht; alles, was er vertuschen will, ist einen zweiten Blick wert. Instinkt, nicht nur in den Straßen, macht einen guten CF-Agenten.
    Chan steht vor der Videophonbox und träumt. Seine Hand tastet nach seiner Hemdtasche, fühlt schon die Scheinchen, hört das Klappern der Geldzählmaschine, wenn er seinen großen Einsatz macht. Mit Donovan auf der Gewinnerstraße.

    »Abel Melinskys Pfandhaus«. Staubig rot leuchtet die alte Neonreklame, hektisch flackern die beiden A’s in »Pfandhaus«. Hitze vom Vortag staut sich in den engen Straßen, prallt auf die trübe Sonnabendmittagsonne, schlägt mir ins Gesicht, als ich die Straßenseite wechsle. Müll vom Vortag und dem Tag davor in den Rinnsteinen.
    Fußarbeit, nicht gesund in dieser Gegend. Barrio-Revier, nicht der beste Ort für meinen Partner. Wir müssen von der Straße runter, sind hier Zielscheiben für die Barrio-Banden. Ein verbogenes Gitter vor der Eingangstür, ein schiefes Pappschild mit ungelenker Handschrift: »Wegen Todesfall geschlossen.«
    »Lässt sich gut an, unser erster Prämienfall.«
    Ich trete ein paar Schritte zurück, sehe an der Bruchbude hoch: staubige oder zerbrochene Fenster bis in den gelbgrauen Himmel. Sieht verdammt unbewohnt aus.
    Chan ruft ein paar Daten von seinem Walkterm ab, hat sie von Higueras überspielt, war im Preis für das Notizbuch mit drin.
    »Melinsky ist unter dieser Adresse registriert, was nun?«
    »Denk doch selber, bist doch heute so gut drauf, Partner.«
    Ich sehe die Straße runter; die Gegend scheint ausgestorben, noch sitzen die Downtownratten in ihren Löchern, doch ich weiß, sie haben uns schon lange bemerkt. Chan spürt es auch, sein Blick wird wachsam.
    »Komm, lass uns Potters Apartment checken, ist nur ein paar Blocks von hier.«
    »Ja, besser, wir verschwinden.«
    Nicht viel Verkehr, um diese Tageszeit fährt hier niemand spazieren, auch keine Latinos in hochgestylten Caddys. In diesem Viertel leben nur Wohlfahrtsempfänger und Outsider wie dieser Melinsky mit seinem Pfandhaus. Relikte wie dreiundsechziger Cadillacs mit Heckflossen, doch die sind so falsch wie die Perlenkette hinter der schmierigen Scheibe des Ladens.
    Ein Schatten, eine Hand, die mich zurückreißt. Ein schwarzer dreiundsechziger Caddy, hologestylt, wahrscheinlich Schwarzmarktware, hinter dem Lenkrad nur eine verwischte Silhouette.
    Zuviel Zufall, als dass es nicht Absicht gewesen war. Chan, mein Partner, in was sind wir da reingeraten?
    »Ausgeflippte Barrio-Kids«, sage ich leichthin, gebe vor, nichts zu wissen. »Geh’n wir, Howie.«
    Enge Gassen, Hinterhöfe mit geheimen Durchgängen, Chan kennt jeden Schleichweg, eine Frage des Überlebens im Barrio-Revier. Siesta-Zeit, heißer Mambo aus Ghettoblastern, scheppernde Mülltonnen, Flüche, laszives Lachen. Nur ein paar Blocks im Halbschatten einer anderen Welt. Dann eine Kellertür, Stufen voll Müll, wir sind da. Eines dieser verkommenen Backsteinhäuser, Sanierungsgebiet. Alles nur Mache. Infrarotschranken und Biochecker an der dicken Stahlplattentür vor Potters Loft.
    Nicht sicher genug. Jemand war schon vor uns da gewesen, jemand, der es sehr eilig hatte und der sehr dringend nach etwas suchte. Chan schlendert durch das Chaos, der Spürhund aus Chinatown. Von den Wänden gerissene Bilder, zersplittertes Glas, zerfetzte Tapeten.
    Mitten in den Überresten eines Arbeitstisches ein PC, einer von diesen Dingern mit Keyboard zur Dateneingabe. Chan stellt ihn auf, er kennt sich aus mit diesen altmodischen Computern, ist so ’ne Art Hobby von ihm. Hat viele Interessen, mein Partner, außer JaiAlai-Wetten und Stoff. Eine Diskette fällt in seine geöffnete Hand, er schnippt sie mir rüber.
    »Steck’s ein und nimm’s mit«, befiehlt er, sieht sich noch einmal um. »Schätze, hier finden wir nichts mehr; wenn die Typen nicht gefunden haben, was sie suchten, finden wir’s

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