Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
seinem Geist. Vielleicht ist es Jessica, vielleicht nicht.
Als ich damit fertig bin und noch einmal überprüfe, dass tatsächlich jedes Bild Sharrolls aus seinem Geist verschwunden ist, befehle ich ihm stillzuhalten.
Er schmeckt – ein wenig fade. Nichts von dem Feuer, das durch Bens Körper schoss oder von der Süße anderer Liebhaber. Am besten träfe es wohl der Vergleich mit kaltem Kaffee. Wenn man nichts anderes hat, dann begnügt man sich halt auch damit. Sorgfältig schließe ich die kleinen Wunden an seinem Hals und gebe ihm ein, dieses Ereignis zu vergessen.
Brav, denn geschwächt tut er es und sinkt in einen tiefen Schlaf. Ich denke, wenn ihn eine Putzfrau findet, wird er etwas von einem schweren Kater und Kopfschmerzen murmeln. Einen Moment betrachte ich ihn noch einmal, wie er zusammengesunken an der Wand der Kabine lehnt und jetzt sogar vor sich hin schnarcht. Ein beinahe friedliches Bild. Ich wende mich ab, lehne die Tür der Kabine beim Verlassen an und wasche mir gründlich die Hände.
Gut gelaunt verlasse ich die Damentoilette und gehe zurück ins Café. Die ganze Aktion hat mich zehn Minuten gekostet, wie ein Blick auf meine Uhr verrät. Nun, das ist verzeihbar. Als ich gerade die spanische Wand passieren will, kommt mir Sharroll entgegen. Sie ist ebenso stilvoll gekleidet wie am Vortag und begrüßt mich leicht verlegen.
„ Es tut mir leid, dass Sie so lange auf mich gewartet haben, Christa. Mein Bruder …“
Ich winke ab. „Keine Sorge, ich habe mir die Zeit gut vertrieben.“
Sie lächelt und wir setzen unseren Weg gemeinsam fort.
Hinter der Wand erkenne ich, dass Alex aufgestanden ist und sich vom Tisch wegbewegt hat. Er telefoniert beziehungsweise lauscht dem Mobiltelefon, welches er an sein Ohr hält. Anscheinend ein wichtiges Gespräch, denn er wirkt angespannt.
Am Tisch bleiben wir stehen und Sharroll blickt verdutzt auf die beiden Weingläser. „Ich hoffe, ich störe Sie und Ihre Begleitung nicht.“
Freundlich lächele ich sie an. „Keinesfalls“.
Sie nickt und setzt sich in einen der freien Korbsessel an den Tisch.
„ Möchten Sie auch Wein?“, erkundige ich mich, doch sie lehnt höflich ab.
„ Auch wenn das eine wirkliche Qualitätsmarke ist“, fügt sie dann mit einem Kennerblick hinzu.
„ Wo ist denn Ihre Begleitung?“ Sie sieht sich interessiert um und ich werfe ein:
„ Waren wir nicht schon beim Du?“
Sie sieht mich prüfend an, dann lacht sie. „Entschuldigung. Das hatte ich ganz vergessen. Ich bin es einfach gewohnt alle Menschen zu siezen.“
Nun ist es an mir abzuwinken. „Keine schlechte Angewohnheit.“
Sie ist erleichtert. „Nun, erzähle mir doch, wie du den Tag verbracht hast, Sharroll. Das macht man doch so, oder?“ Ich schmunzele und sie schenkt mir ebenfalls ein Lächeln.
„ Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, du fragst mich aus.“
Ich blicke sie entrüstet an. „Auf gar keinen Fall. Ich versuche nur ein unverfängliches Thema als Gesprächseröffnung anzuschneiden.“
Wieder lacht sie. „Natürlich, als ob das Wetter oder Literatur zum Beispiel nicht adäquate Gesprächsthemen für eine Eröffnung wären“, nun zwinkert sie mir zu, „und vielleicht ein wenig unverfänglicher.“
Ich sehe sie offen an. „Wieso, hast du den Tag denn mit etwas Ungehörigem verbracht? Das kann ich mir kaum vorstellen.“
Bevor sie antwortet tritt Alex an unseren Tisch. Er wirkt verwundert. „Sharroll, was machst du denn hier?“
Diese blickt ihn ebenso überrascht an. „Ich bin mit meiner neuen Freundin Christa verabredet.“ Sie deutet auf mich. „Und du?“
Moment mal, die beiden kennen sich? Das ist ja interessant. Erwartungsvoll lehne ich mich in meinen Korbsessel zurück.
„ Ich war es bis eben auch“, er lächelt mich an, „doch dringende Geschäfte zwingen mich, den Abend hier zu meinem Bedauern abzubrechen, Miss Ashton.“
Ach, wie schade.
„ Musst du wieder für Ben das Kindermädchen spielen?“ Sharrolls Stimme ist voller Verachtung für den anderen.
Alex räuspert sich peinlich berührt – sie hat den Nagel wohl auf den Kopf getroffen. „Ich bin geschäftlich zu ihm gerufen worden, Sharroll“, tadelt er sie und schenkt mir dann ein bedauerndes Lächeln. „Außerdem würde ich es vorziehen, wenn du etwas respektvoller von ihm sprechen würdest.“
Sharroll verschränkt die Arme vor der Brust. „Wieso? Weil er ein Freund meines Bruders ist?“
Ganz deutlich macht es „Klick“ in meinem
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