Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
legt entsetzt die Hände auf den Mund. Dann schreitet sie hastig auf die Rezeption zu und ruft den Sicherheitsdienst.
Alex und ich umrunden den Pool und finden immer neue Beweise für unüberlegtes und vor allem zerstörerisches Handeln. Ich kann es kaum fassen. Wie sehr muss man fremden Besitz missachten, um sich so aufzuführen?
Sharroll finden wir jedoch nicht. Dafür einzelne Kleidungsstücke. Vor der Rezeption stehend sehen wir uns verunsichert an. Wo kann sie nur sein, wenn nicht hier?
„ Der Sicherheitsdienst kommt gleich“, erklärt Cassandra, nun völlig wach.
„ Rufen Sie am besten noch den Arzt dazu“, antworte ich, einer Eingebung folgend, und verschwinde in Richtung Damenduschen.
Alex folgt mir auf dem Fuße und als ich die Tür zu den Duschen öffne, schlägt mir der saure Geruch von Erbrochenem entgegnen. Einen Fluch auf den trockenen Lippen hechte ich um die Ecke und sehe das Unvermeidliche: Sharroll liegt blass und zusammengerollt auf dem Boden der Dusche.
Sie trägt nur einen winzigen Bikini und ist von einem See aus Erbrochenem umgeben. Ich stürme zu ihr und hebe sie auf. Sie ist kalt und atmet nur flach, kaum noch hörbar. Ein Bild von einem anderen Mädchen schießt mir in den Kopf.
Ein Bild von einem übel verprügelten schwarzen Mädchen, dem man den Kopf kahl geschoren und mit Nagellack das brennende Kreuz als unverkennbares Symbol des Clans auf den geschundenen Körper gemalt hatte. Sie war meine Freundin gewesen – Samantha .
Damals hatte ich nichts tun können und heute will ich nicht auch zu spät gekommen sein.
„ Sharroll“, flüstere ich, den jungen Körper an mich drückend. Sharroll röchelt leise. Alex steht betroffen über uns.
„ Mach die Dusche an und stelle sie auf Heiß“, befehle ich ihm, ohne jedoch geistige Gaben zu verwenden.
„ Aber dein Kleid …“, stottert er.
„ Scheiß doch auf das Kleid. Mach die Dusche an. Jetzt!“, fahre ich ihn an und fast augenblicklich geht ein warmer Wasserstrahl auf uns nieder. Er spült das Erbrochene fort und bringt wenigstens ein bisschen Wärme in den völlig unterkühlten Körper.
Mit einem röchelnden Husten erwacht Sharroll aus ihrer Benommenheit und klammert sich wimmernd an mich.
„ Ist schon gut, Schatz. Alles wird gut“, flüstere ich ihr zu und streichele ihren Rücken. Für einen kurzen Moment versiegt das Wasser, doch Alex drückt den Knopf erneut. Sharroll wimmert und weint leise in meinen Armen. Ich drücke sie an mich und raune ihr beruhigende Worte zu.
Zum Glück lassen sowohl der Sicherheitsdienst als auch der Arzt nicht lange auf sich warten. In seine Obhut übergeben wir Sharroll und sie wird auf die Krankenstation gebracht. Ich wende mich Alex zu, der triefend neben mir steht.
„ Du bist nass“, stelle ich sachlich fest.
„ Du auch“, gibt er ebenso sachlich zurück.
„ Der arme Anzug.“
Er grinst mich an. „Um jemanden zu zitieren, den ich langsam besser kennen lerne: Scheiß auf den Anzug.“
Wir lächeln uns kurz an, dann nimmt uns der Sicherheitsdienst in Beschlag.
Endlos reihen sich Fragen an Fragen und es dauert noch gut zwei Stunden, bis die Formalitäten geklärt sind und sie uns entlassen. Die nassen Kleider haben wir gegen flauschige Bademäntel getauscht, denn man will uns nur ausfragen, nicht für Erkrankungen verantwortlich sein.
Alex macht alle Angaben zu der Nacht und ich berichte, was Ben mir erzählt hat. Die Speicherkarte erwähne ich nicht und auch Alex scheint diese nicht für erwähnenswert zu halten. Das unfreiwillige Bad hat sie aber gut überstanden, wie er mir versichert. Wenn er meint.
Der Sicherheitsdienst nimmt unsere Daten auf und Alex erklärt, er werde Seine Lordschaft, Sir Benjamin, in dieser Sache nicht vertreten. Er stehe aber als Vertreter von Sharroll zur Verfügung. Sowohl als Zeuge des Geschehens, als auch als Rechtsbeistand.
Mich stuft man als wichtige Zeugin ein, lässt mich als müden Gast dann aber irgendwann zu meiner Suite gehen.
Cassandra kann nicht erklären, wie sie zum Pool gekommen ist. Sie gibt immer wieder zu Protokoll, dass sie plötzlich aufgewacht und dann einem Gefühl gefolgt sei. Auch eine schöne Umschreibung.
Mit hängenden Schultern mache ich mich schlurfend auf den Weg zu meiner Suite. Dies war eine der längsten Nächte auf diesem Schiff und sie zehrt bereits an meinen Kräften. Der nahende Tag ist nun so kurz davor anzubrechen, dass der Himmel sich bereits leicht hellblau färbt. Wie ein ferngesteuerter
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