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Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myrna E. Murray
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sich als Beschützer eignen? Oder, viel besser: Kann ich es zulassen, die Zügel einem anderen in die Hand zu legen und einmal nicht meine Schlachten selbst schlagen zu müssen?
    Ich horche in mich hinein und finde die klare Bereitschaft dafür. Ja, sogar den Wunsch, mich in seine starken Arme sinken zu lassen und einfach nur eine Frau zu sein. Gut, eine Frau mit gewissen Kräften und gewissen Vorlieben, aber dennoch … Der Gedanke ist verlockend und das Gefühl, das sich parallel dazu entwickelt, kann ich auch nicht leugnen.
    Bleibt nur diese dumme kleine Sache mit meinem „wahren Geheimnis“, wie er es nannte. Ich grübele weiter und dabei fällt mir die Methode einer befreundeten Vampirin, Viola, ein. Sie ist nicht „die feine englische Art“, wie man so schön sagt, stammt aber noch aus ihren Lebtagen. Damals war Viola eine florentinische Hofdame. Sie stammt aus einer Zeit des Verrats und der Intrigen.
    Einmal hat sie mich mit einem wissenden Seitenblick auf ihren aktuellen Liebhaber gefragt: „Weißt du, was die florentinischen Frauen machen, damit ihre Männer zu Hause bleiben?“ Ich habe verneint und sie interessiert angesehen.
    „ Nun, sie geben ihnen jeden Morgen ein sehr langsam wirkendes Gift und jeden Abend ein Gegenmittel.“ Damals habe ich sie nur verblüfft angeschaut und sie hat wissend lächelnd hinzugefügt: „Ein Gift, das den Ehemann, der fremdgeht, eine furchtbare Nacht verbringen lässt.“
    Meine einzige Erwiderung an diesem Abend war, dass eine Frau wie sie es wohl nicht nötig hätte, zu solchen Mitteln zu greifen. Sie lächelte wissend und offenbarte mir, dass ihr „Beruf“ sehr gefährlich sei und dass nicht alle Männer das waren, was sie zu sein schienen.
    Ich muss wohl nicht erwähnen, dass sie einen ungewohnt hohen Verschleiß an „Gefährten“ hatte, oder? Was aus ihr geworden ist, weiß ich nicht; und auch nicht, ob sie ihre Scheu vor Verrat abgelegt hat.
    Allerdings habe ich noch je eine Phiole des Giftes und auch eine des Antidots, welche sie mir mit einem wissenden Lächeln bei unserem Abschied schenkte.
    Beinahe habe ich ihre Worte noch im Ohr: „Es ist ganz einfach. Man führt ein Gespräch, legt die Fakten dar und lässt sie wählen. Während des Gespräches wird ein Getränk, vorzugsweise Wein, gereicht, der ein Quäntchen Gift enthält. Dieses nimmt der oder die Auserwählte zu sich. Sollte er oder sie sich dafür entscheiden, erhalten sie das Antidot. Wenn nicht, erledigt sich die Sache binnen zweier Tage von selbst. Der Gerichtsmediziner wird dann einen Herzinfarkt feststellen, und da das Mittel auf Pflanzenbasis beruht und das Rezept schon mehrere hundert Jahre alt ist, kann es nur schwer nachgewiesen werden. Alles deutet auf eine natürliche Todesursache hin und man ist aus dem Schneider.“
    So weit, so gut. Aber kann ich das wirklich? Alex vergiften? Naja, er würde es ja nicht merken, wenn er bei mir bliebe, und irgendwie absichern muss ich mich schließlich auch. Trotzdem kommt es mir falsch vor. Aber es reizt mich schon, denn eingesteckt hatte ich es aus Routinegründen und damit es keiner meiner Mitbewohnerinnen in die Hände fällt. Bestenfalls hätten sie es weggeschüttet; schlechtestenfalls benutzt – das Risiko war mir einfach zu groß. Nun bin ich froh, es doch dabeizuhaben. Man weiß ja nie, und ich habe bis morgen noch Zeit, mich dafür oder dagegen zu entscheiden.
    Bevor ich das Restaurant jedoch verlasse, winke ich unseren Kellner noch einmal heran und erkundige mich nach dem Namen des Weines, den Alex getrunken hat. Er schreibt es mir liebenswürdigerweise auf. Château des …?, denn den Namen kann sich ja kein Mensch merken. Mit dieser Information im Gepäck fühle ich mich gewappnet für das, was ich zu tun gedenke – morgen. Also, für das Gespräch. Die andere Sache schwebt wie eine dunkle Wolke über mir, wie ein leiser Zweifel. Ist das der richtige Schritt?
     
    Noch am Tisch sitzend lasse ich mir Papier und einen Stift kommen und stelle eine Pro- und Contra-Liste auf.
    Für Alex spricht: die Aussicht auf einen zuverlässigen Vertrauten, Erleichterung meiner Terminkoordination, Schutz am Tag und dass er mich verdammt nochmal fasziniert. Einfach alles an ihm ist anziehend. Seine ruhige, besonnene Art, die ihn auf den ersten Blick als „ungefährlich“ einstuft. Was er ganz und gar nicht ist, wie ich mich ja jetzt überzeugen konnte.
    Seine Art mich zu triezen und aus mir selbst herauszulocken. Lächelnd erinnere ich mich an das

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