Nachtchimäre - Fragmente der Dunkelheit (German Edition)
Christa.“
Kurz darauf habe ich seine Stimme am Ohr. „Christa? Na endlich. Ist dir was passiert?“, sprudelt es ganz untypisch und sorgenvoll aus ihm heraus.
Ich nehme mich zusammen. „Ja und nein. Aber das erzähle ich dir alles später, Alex. Es geht mir jetzt gut und ich freue mich, wenn du mich gegen 21 Uhr zur Party abholst.“
Er zögert kurz, gibt sich dann aber damit zufrieden. „Ich werde da sein.“
„ Danke.“
Er will noch etwas sagen, das kann ich spüren, aber er lässt es dabei. Gut – ich könnte schließlich auch noch etwas sagen. Um präzise zu sein, könnte ich sogar ziemlich viel dazu sagen. Aber so etwas klärt man nicht am Telefon.
„ Bis nachher“, verabschiedet er sich und ich antworte mit: „Ich freue mich.“ Tue ich wirklich.
Die Zeit bis zu unserem Treffen verfliegt rasend schnell. Das kann zum einen damit zusammenhängen, dass ich einfach beschäftigt bin, zum anderen wohl damit, dass es mir einfach nur gut geht. Egal, was die Playlist liefert, in jedem Lied ist ein potenzielles Liebeslied enthalten.
Sehr sorgfältig wähle ich meine Garderobe für heute aus. Die Hauptfarbe ist Schwarz. Natürlich. Schwarzer Samt; echter, wohlgemerkt, und kein Pannesamt! Dazu schwarze Spitze und schwarze Seide. Meine Fingernägel lackiere ich ebenfalls schwarz und schminke das Gesicht sorgfältig.
Dazu zaubere ich eine sehr aufwendige Frisur mit vielen kleine Schnörkeln und circa einer Tonne an Klammern und Spängchen. Aber das Ergebnis lässt sich sehen. Wie eine höfische Rokokotte sehe ich nun aus und der Reifrock unter dem weiten Rock erfüllt seine Aufgabe ganz hervorragend. Das enge und mit schwarzen Schleifen besetzte Mieder kommt so gut zur Geltung, ebenso wie der seitlich ausgestellte Rock. Dieser würde ohne Reifrock einfach nur platt am Körper anliegen. So aber entsteht ein Gesamtkunstwerk, auf das ich stolz bin.
Um den Hals habe ich ein feines Seidenband gelegt, das meine Kehle betont, und die Lippen habe ich in einem dunklen Weinrot getönt. Außerdem habe ich mir einen künstlichen Schönheitsfleck auf die Wange unterhalb der Wangenknochen geklebt.
Kurz: Wenn ich meine Lippen öffne und meine Fangzähne dabei wachsen lasse, sehe ich tatsächlich so aus, als wäre ich einem Bild der spanischen Künstlerin Favole – Victoria Francés – entsprungen.
Als es leise klopft, kribbelt plötzlich alles in mir und mit einem erwartungsfrohen Lächeln öffne ich die Tür. Es ist Alex, was zu erwarten war. Was ich jedoch nicht erwartet hatte, ist sein Aussehen. Er trägt einen schwarzen Gehrock, auf dessen Revers ein mattes Muster schimmert. Dazu eine schwarze Anzughose und das obligatorische weiße Hemd, nebst einem königsblauen Kummerbund.
„ Hallo, Fremder“, begrüße ich ihn mit leicht rauchiger Stimme und er mustert mich von oben bis unten.
Ihm stockt der Atem und so bringt er nur leise heraus: „Du siehst bewundernswert aus.“
Ich lächele ihn an. „Danke sehr.“
„ Wo hast du nur solche Garderobe her?“
Ich schaue an mir herab. „Ach, das hing hier zufällig im Schrank.“
Da, die kleinen Funken Amüsements in seinen Augen, die einer halb ironischen Antwort vorauseilen. „Das hing zufällig im Schrank?“
„ Ja“, ich lächele ihn ganz unschuldig an und als ich den Mund öffne, sieht er sich gebleckten Fangzähnen gegenüber.
Ein Schauder läuft ihm über den Rücken. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, die sind auch echt.“
Ich grinse, was meine Fangzähne im Mund verschwinden lässt. „Frage den Zahnarzt deines Vertrauens.“
Er lächelt. „Das werde ich mir merken.“
So, jetzt ist es an mir, ein Kompliment zu machen: „Du siehst aber auch nicht schlecht aus. So förmlich im Gehrock.“ Ich hebe einen behandschuhten Finger und streiche über das Revers.
Er macht einen Diener. „Besten Dank.“ Dann sieht er mich an und sein Blick wird ernster. „Der hing leider nicht im Schrank, aber man kann ich zum Glück mieten.“
„ Er steht dir trotzdem.“
„ Darf ich einen Moment reinkommen?“, erkundigt er sich beinahe scheu und ich lasse ihn eintreten.
„ Tritt ein und lass etwas von der Freude zurück, die du über diese Schwelle bringst“, intoniere ich, den genauen Wortlaut nicht mehr im Kopf habend, und er schmunzelt.
„ Du ziehst wirklich alle Register.“
Ich schließe die Tür. „Ja, das tue ich.“
Unentschlossen steht er nun vor mir, eine unausgesprochene Frage auf den Lippen. „Hast du
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